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Geltungsanspruch und Gesellschaft, war: [ox] Die sinkenden Grenzkosten der Inf..



HGG Freitag, 28. Oktober 2005 at 18:07 Uhr [PHONE NUMBER REMOVED] wrote:

Etwas zu gestalten ist ein Anspruch im Sinne eines positiven
Freiheitsrechts (wie bei Karsten Weber, siehe dessen Text zur Chemnitzer
Konferenz), d.h. er beinhaltet einen eigenen Anspruch an die
Gesellschaft, die Bedingungen für die Realisierung eines solchen
Anspruchs vorzuhalten. Und umgekehrt kann die Gesellschaft
Verantwortlichkeit fordern, wenn ich einen solchen Anspruch realisieren
möchte und dafür die Möglichkeiten bekomme. Es ist derselbe Prozess der
Sozialisierung von Arbeit wie im Kapitalismus, jedoch nicht so sehr auf
die Herstellung von Gütern gerichtet, sondern auf die Herstellung von
Verkehrsformen - eben der "Anspruch, ein Stück Gesellschaft selbst zu
gestalten".

jetzt sind wir schon einen sehr großen Schritt weitergekommen: die Rede
vom Geltungsanspruch macht nur Sinn, wenn ich "Gesellschaft" als ein
Subjekt denken kann.

Hier sind wir vielleicht sogar beim Kern der Sache, denn die Vorstellung
daß "die Gesellschaft" den Individuen gegenübertritt und neben den
Individuen eine separate Realität hat, ist für mich eine Projektion der
Individuen selbst. Sie entspringt der Tatsache daß menschliche
Gesellschaft (als "naturwüchsiger", quasiobjektiver Prozeß) bis dato nur
in Form eines "llusorischen Allgemeinwohls" organisiert war, das sich
gegenüber den Individuen als separate Macht konstituierte, eben als
politische Klasse, als Staat.

Die Gesellschaft ist dann kein unmittelbar positiv aufnehmbares Phänomen,
sondern als der Reflex staatlich - gewaltsamer Herstellung einer aktiven
Handlungseinheit widersprüchlicher Interessen, die per Staat
zusammengeklammert werden. Dieser Reflex ist eher ideologisch - nebulös
als subjekthaft - real. Vielmehr wäre die Konstitution der Interessen
selbst zu betrachten.

Das emphatisch - ideologische ist für mich auch noch nichts komplett
schlimmes. Es kann ja jemand "Gesellschaft" als Utopie verstehen und wir
tun es ja auch irgendwie, mit der Rede von der "Zivilgesellschaft" etc. 
Schlimm ist wenn unmittelbar - positiv so getan wird als müßte ich bloß
"Gestaltungsansprüche" an irgendjemanden formulieren. Ich meine es ist
wesentlich besser von einem Modell auszugehen wo ich a priori von einem
"Experiment" ausgehe, dessen Randbedingungen formuliere und dafür versuche
andere Individuen zu gewinnen und zugleich feindselige Interessen (oder
das staatliche prima facie konservative Ordnungsinteresse) unter Hinweis
auf realen Nutzen zu neutralisieren oder "umzudrehen". Das Experiment und
sein positiver Ausgang selbst entscheiden über die Geltung, nicht ein
abstrakter Rechtsanspruch.

Die Realisierung hängt eher an der temporären und limitierten
Außerkraftsetzung von geltenden Regeln als an einem Andocken an sie.

Jeder soll mit einem "Gestaltungsanspruch" herumrennen, dem liegt
schon immer zugrunde daß angesichts verschiedener "Ansprüche" das
Recht und die Staatsgewalt dazwischenfahren müssen, der "Anspruch"
eben nichts praktisches hat.

Der Anspruch ist nur kollektiv - genauer kooperativ - zu denken.

Hier nur der Verweis darauf, daß die staatliche Reaktion auf
Gestaltungsansprüche umso schärfer ist, je kollektiver sie sich
manifestieren. Sie werden dann einer sehr eingehenden Untersuchung
unterzogen, integriert oder kriminalisiert.


Da gefiele mir "Gestaltungskompetenz" schon viel besser! 

Die ist die (individuelle) Voraussetzung für die Realisierung des
Anspruchs.

Das zumindest müßtest Du ausführen. Gibt es einen Zusammenhang von
Gestaltungskompetenz und Gestaltungsanspruch, und wie ist der beschaffen?


Franz

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