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Re[2]: [ox] Re: Umsonstladen



Hei Holger,

Monday, November 25, 2002, 12:24:18 PM, you wrote:
* Benni Baermann <benni obda.de> [2002-11-25 09:58]:
Kein Idealismus weit und breit also.

Auf dieser Liste wurde der Umsonstladen hauptsaechlich deshalb gefeiert,
weil er ein Instrument gegen das "boese Rechnen", gegen das
Aequivalenzprinzip sein soll, das diese Gesellschaft beherrscht. Nicht
als rein pragmatisches Mittel.

Dank deiner Intervention ist es seit Bennis Mail nicht mehr so. Ich
glaube, dass dieser Punkt wichtig ist. Freie Software, die aus purem
Idealismus produziert wird, ist aus einer emanzipatorischen
Perspektive ungefaehr so interessant wie die Weihnachtssammlung der
Caritas.

Wenn Euch aber interessiert, warum in dieser Gesellschaftsform "viel
zu viel gerechnet" wird, warum also Karstadt sein Zeugs nicht
umsonst weggeben kann, dann hilft es doch nichts, einen Umsonstladen
aufzumachen, sondern dann muss man sich anschauen, wie das
Aequivalenzprinzip entstanden ist, was es genau ausmacht und wie die
Bedingungen seiner Abschaffung sind.

Sicher interessant. Vor allem der letzte Punkt.

Typisch! Gleich abschaffen, bevor man ueberhaupt verstanden hat, was man
da abschaffen will. Die ersten Punkte sind Voraussetzung fuer den
letzten, daher sind vor allem erstmal _die_ interessant.

Was genau hast du gegen 'learning by doing' als _eine_ Moeglichkeit
des Lernens?

Es hilft allerdings nichts mit jeglicher Praxis zu warten, bis man die
perfekte Theorie hat.

Und wer genau soll das gefordert haben? Auch typisch. Wenn ich sage,
"_diese_ Praxis taugt nicht zur Gesellschaftsveraenderung", lautet die
Antwort: "besser irgendeine Praxis als gar keine Praxis". Auch immer
sehr beliebt: "Was schlaegst Du denn vor?"

Besser ist es, beides in ein produktives Wechselverhältnis treten
zu lassen.

Jep. Ich sehe nur nicht, inwiefern ein Umsonstladen in irgendeinem
Wechselverhaeltns zu irgendeiner Theorie steht. Das beschraenkt sich
doch auf die Behauptung, in unserer Gesellschaft waere das
Aequivalenzprinzip vorherrschend und das sei "schlecht". Dann erklaert
mir doch bitte mal, was genau an der Aequivalenz so schlecht sein soll.
(Ich verkneife mir, zu fragen, infiefern denn unsere Gesellschaft
ueberhaupt durch Aequivalenz beherrscht ist.) Erstmal ist es doch eine
faire Sache, wenn ich genausoviel bekomme, wie ich gebe, oder nicht?

So wie ichs verstande habe ist nichts gegen gerechten Tausch
einzuwenden. Kritikwuerdig wirds erst dann wenn das Tauschprinzip
verallgemeinert wird und damit Bereichte aequivalent gemacht werden,
die man fuer aequivalent halten mag, oder eben auch nicht. Wenn man
genauer hinsieht, sind die Manoever, die durchgefuehrt werden muessen
um Aequivalenz herzustellen, geradezu abenteuerlich.

Warum entsprechen drei Stunden meiner Lebenszeit genau dem Stundenlohn
X? Warum war das vor drei Jahren ungefaehr das Zehnfache (kein
Scherz)? Welchem Grad von Gesundheit entspricht der Preis Y, den ein
Kranker zahlt? Auf diese Art und Weise unentwegt im Alltag zu
vergleichen ist weitgehend durchgesetzt. Gleichwohl gibt es Menschen,
die diesen Tausch schon im Ausgangspunkt nicht nur fuer ungerecht,
sondern geradezu fuer 'falsch' halten. Es ist heute allerdings
ausserordentlich schwierig, sich dem Aequivalententausch zu entziehen.

Dies und dass mit einer gewissen Menge Geld in diesen unseren
Gesellschaften eine ganze Menge von 'Dingen' erwerbbar ist, deutet
darauf hin, dass der Aequivalententausch weit durchgesetzt ist. Die
Geschichte der letzten 300 Jahre ist u.a. eine Geschichte dieser
Durchsetzung.

Nichts allerdings spricht dafuer, dass es so sein muss. Ein
Umsonstladen hat m.E. zunaechst mal die Funktion einer Nische. Nischen
sind gut fuer die Leute, die sich darin aufhalten. Mehr nicht. Ob er
mehr sein kann, bleibt auszuprobieren. Immerhin zielt der Laden mit
seiner Praesenz in der Oeffentlichkeit schonmal ein bisschen ueber die
Nische der Freunde und Bekannten hinaus. Freie Software ist
tatsaechlich aus seiner Nische herausgekommen und das ist allerhand.

mfg Thomas (be)

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