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Re: [ox] Re: Moral und anderer Schrott



Hi Benni und alle,

Benni Bärmann schrieb:
ist ja jetzt schon fast wieder eine Woche her, aber ich hab tatsächlich die
ganze Zeit drüber nachgedacht und auch Deine Links zur krit. psych. mal
verfolgt. Ich sehe jetzt ein bisschen klarer und ich glaube ein Stück weit
zumindestens hast Du mich sogar überzeugt.

Also wenn, dann du dich;-)

spezifisch bürgerlicher Form des Individuums? Von Individuum gehe ich in
der Tat aus. Der Begriff ist in meiner Sicht nicht mit einer bestimmten
Vergesellschaftungsform verbunden.

Da irrst Du IMHO. Unten mehr dazu. Aber vielleicht ist es ja auch wieder mal
nur ein Begriffsproblem und Du sagst "Subjekt" wenn ich "Individuum" sage,
mag sein.

Vielleicht.

Wobei mich jetzt schonmal interessieren würde, was für Dich den Unterschied
ausmacht.

Für mich wäre "Individuum" die Vorstellung einer erstmal unabhängig von
Gesellschaft existierenden Person (was Du ja sicher ablehnst) und "Subjekt"
wäre ein handelndes Individuum.

Wie ich schrieb, sehe ich Individuum unabhängig von einer konkreten
Gesellschaftsform: Der unteilbare Mensch. Die gesellschaftliche Natur,
also die qua Geburt vorhandene Fähigkeit zur individuellen
Vergesellschaftung, kommt hingegen allen Menschen zu. Insofern ist die
Gesellschaftlichkeit nichts Zusätzliches, sondern immer schon "da".

Bis vor kurzem habe ich Individuum und Subjekt synomym verwendet. Durch
die wertkritischen Diskussionen tendiere ich inzwischen dazu, das
"Subjekt" als spezifische Form des Individuums unter
bürgerlich-kapitalistischen Verhältnissen zu sehen (etwa wie "Arbeit"
als spezifische entfremdete Form der Tätigkeit). Es heisst ja schon
sprachlich der "Untergeordnete" (bitte korrigieren, bin kein Lateiner,
aber so in dem Dreh). Aber oft ist das wie bei der "Arbeit" ein Streit
um Worte.

Gründe sind aber immer "je meine" Gründe.

Das hab ich nach der krit. Psych. Lektüre jetzt auch mal endlich kapiert,
was ihr immer mit eurem "je" habt. Bisher hab ich das nur für eine
stillistische Marotte gehalten ;-)

Gerade bei den "Gründen" ist das ziemlich bedeutsam. Siehe meine Antwort
auf Hans-Gert von heute, 9:43.

Schön, dann les ich es erstmal nicht und warte auf deine Rezension;-)

Jaja. Ganz mieser moralischer Druck ist das ;-)

Mist, durchschaut...;-)

Na, dann werd ich das demnächst mal ganz selbstentfalterisch angehen...

Puh, nochmal gutgegangen...;-)

Ich versuchs mal mit einem konkreten Beispiel: Ein Nazischläger macht Jagd
auf Leute, die ihm nicht passen. Wenn ich jetzt von ihm fordere, dass sein
zu lassen, dann reproduziere ich nur den Zumutungscharakter dieser
Gesellschaft? Sicher ist diese Forderung nicht ausreichend, aber doch
zunächst mal der Anfang, oder?

Das ist doch keine moralische Forderung! Du sagst doch nicht: "Das soll
man aber nicht tun, mein guter Nazi". Sondern du setzt verbal oder
faktisch Widerstand dem Nazi entgegen - je nach Möglichkeit. Du sagst
doch eher: "Lass das sein, verpiss dich".

Schon klar. Meine Idee war, dass jeder Auseinandersetzung ja ersteinmal eine
Forderung vorausgeht. Also nur, weil ich mich _moralisch_ im Recht sehe,
handele ich so. Aber dem entgegnest Du dann wohl, dass das garnicht nötig
sei, weil ich ja aus Selbstentfaltung heraus erkannt habe, dass dieses
Nazitum schädlich für die Selbstentfaltung anderer ist und mich deswegen
solidarisch dagegen wehre.

Kann man es vielleicht so sagen, dass der "Ersatz" den Du für Moral siehst,
die Solidarität wäre? Um jetzt mal auf Hans Gerts Teilthread einzugehen?

In der o.g. Antwort zu Hans-Gert habe ich Moral mal mit
"kognitiv-emotionaler Weltbegegnung" übersetzt. Solidarität ist da eine
Möglichkeit, mich denkend, fühlend und handelnd zur Welt zu verhalten.
Also nicht Ersatz, denn es ist ja nur eine Möglichkeit.

So gedacht wird auch klar, warum die Handlungsmöglichkeit der
Solidarität heute von viel weniger Menschen ergriffen wird als zu den
Hochzeiten des Fordismus: Da waren die "Klasseninteressen" noch ziemlich
uniform (analog der uniformen Produktionsweise), was bedeutet, dass
Solidarität mit dem anderen, der gleich mir gleiche Interessen hatte,
sehr unmittelbar in meinem Interesse war. Heute ist diese
Interessenidentität weg, übrig ist einzig, als Arbeitskraftunternehmer
Konkurrent auf dem Markt zu sein. "Solidarität" als
Handlungs-Denk-Fühl-Möglichkeit ist für je mich nicht mehr funktional.
Moralische Appelle an die "Solidarität" wirken da nur altmodisch und
hilflos. "Solidarität" in verdinglichter Form gibt's nur noch gegen Cash
- zum Beispiel in der Gewerkschaft oder der Rentenzusatzversicherung.

Bei Spehr gibt es ja die Aussage, dass linke Politik darin bestehen muss die
Möglichkeiten für freie Kooperation für andere zu schaffen. Das geht auch in
die Richtung.

Ja, genau. Im Grunde geht es darum, die Nachfolge der klassischen
kollektiven Solidarität zu schaffen. Und das hat die Freie
Softwarebewegung geleistet, ganz intuitiv: Es ist die je individuelle
Selbstentfaltung, die nur die Entfaltung aller sein kann. Na, jedenfalls
in die Richtung.

Naja, vielleicht bin ich jetzt auch frischgebackener Antimoralist, bin mir
noch nicht ganz sicher ;-)

Don't panic: Es ist wie bei Oekonux - es gibt keine Mitgliedschaft;-)

Ciao,
Stefan

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