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Re: [ox] Neu hier - Geld und Tauschhandel



Hallo Casimir

Casimir Purzelbaum wrote:

...
 
 > Woher ihr die Kohle kriegt? Ja wenn Ihr Vieh und Getreide
 > in die Stadt bringt und Eure Söhne in die Armee steckt dann
 > kriegt ihrs vielleciht zusammen.

Hier steckt also implizit die Annahme drin, daß es schon *möglich
ist*, Vieh und Getreide in die Stadt zu bringen und daraus Geld zu
machen oder seine Söhne in die Armee zu stecken (oder allgemein seine
Kinder oder sich selbst als Sklaven an jemanden abzutreten) und dafür
Geld zu kriegen. Woher aber kommt das Geld, daß man bspw. vom Markt
nach Hause tragen kann um es dann wieder abgenommen zu kriegen?

Der Herrscher ( "Münzherr" ) gibt das Geld aus, die Menschen können 
damit ihre Schulden bei ihm bezahlen, wie es auch heute noch so
ist.

(In der Wirtschaftstheorie denkt man zwar gerne in 'Kreisläufen', aber
auch die müssen ja erstmal zustande kommen...)

Naja wir sollten keine Henne/Ei Diskussion anfangen, aber ich denke
schon dass bei der Benutzung von Geld das Zahlen von Abgaben lange
Zeit im Vordergrund stand.

Die zweite Frage hast Du nicht beantwortet: wo geht es hin? Warum muß
es unbedingt 'Geld' sein, was der Herrschende da eintreibt? (Sorry,
aber ich mache die Frage nochmal durch absurd scheindende
Ergänzungsfragen deutlich: warum haben sei keine Abgaben in Form von
Mumpeln verlangt?  oder in Form von Kakao-Blättern, Feldsteinen,
Chip-Karten oder Liedern? -- Die Fragen werden übrigens weniger
absurd, wenn man bedenkt, daß im Laufe der Geschichte durchaus auch
Steine, Zigarren und gar Blumen in den Rang von Währungen geraten
sind. Aber es ist wichtig zu überlegen, warum sich gerade das Geld
durchgesetzt hat und warum es zunehmend mit Geld gelang, seine Macht
zu festigen. Es muß doch irgendwie einem Zweck *gedient* haben
(bzw. einen Mechanismus bedient haben), zu dem es besser taugt(e), als
alle vorstellbaren Alternativen).

Nun, ich denke es musste nicht immer und überall so kommen aber
es hatte einige "Vorteile". Aeh zu Deinen Fragen sind die wirklich
ernst gemeint? Was sind "Mumpeln" ? Chipkarten gabs noch nicht. Wenn 
Du meinst, warum hat man nicht irgendeine Ware wie Vieh oder Getreide
genommen, so ist die Antwort, dass nur der Herrscher Münzengeld 
schaffen konnte. Stell Dir vor die Steuern wären in Vieh bezahlt worden,
so wäre ein Herrscher bald auf riesigen Viehherden gesessen, gegen die
er aber nicht beliebige Dienstleistung/Waren hätte eintauschen können.

Jeder kann Vieh züchten, das käme dem gleich dass jeder Geld drucken 
könnte. Die Bevölkerung könnte sich somit über eine Art Vieh-Inflation
entschulden 

Sein _Geld_ aber _mussten_ sie nehmen, da sie es brauchten und nur von
ihm
kriegen konnten. Sie mussten ihm dafür liefern, was immer er anzunehmen 
geruhte.

 > Natürlich führt das dann zum Tausch aber der Motor ist
 > der staatliche Zwang. Meinst Du die Leute wären ganz von
 > selber aus ihrer bequemen Subsistenz rausgekommen?

Wenn der Staat, der da den staatlichen Zwang ausübt, keine Aliens
waren, dann wird er sich wohl aus der allgemeinen Subsistenzwirtschaft
heraus entwickelt haben müssen.

Denke ich nicht. Ich denke dass sich Herrschaft meistens aus der
Unterwerfung aus Stammes durch einen anderen entwickelt hat.
Räuberische und kriegerische Stämme haben andere unterworfen und so
Reiche aufgebaut. Schau Dir mal unsere Adelshäuser an. Deren Vorfahren
wurden nicht irgendwann mal vom Dorfrat zum Häuptling gewählt, sondern
es waren ganz einfach Räuber. In Indien herrscht die eingewanderte 
hellheutige Brahmanen-Kaste über dunkelhäutige Ureinwohner. Siehe
Kolonial-Geschichte usw..

Gegen Herrschaftsmechanismen, die sich aus der eigenen Gesellschaft
heraus entwickeln haben viele Stammesgesellschaften Gegen-Mechanismen
entwickelt, z.B. Potlatch.

Und was hätte er denn mit dem Geld
wollen sollen wenn nicht tauschen? (z.B. Geld gegen Söldnerdienste)
Das Geld zeichnet sich ja vor vielen anderen Dingen gerade dadurch
aus, daß es 'an sich' so gut wie unnütz ist. Wie kann man aber seine
Macht mit etwas stärken oder erhalten, was zu nichts taugt?

Ist doch klar - das Geld selber leistet nichts, es ist nur eine Medium,
was Macht in Form von Steuerschuld vermittelt. Die meisten nützlichen
Dinge gibt es ja schon, sie werden überall hergestellt, deshalb kann der
Herrscher kein Monopol darauf errichten, -> siehe oben. 


...

noch ein, daß Marx mal alle bisherige Geschichte als Geschichte von
Klassenkämpfen charakterisiert hat, was Deiner Ansicht nicht zu
widersprechen scheint... Aber man darf Zusammenhänge nicht fahrlässig
verkürzen: Klassen- oder Herrschafts-Widersprüche sind deshalb noch
lange nicht die direkte Grundlage oder gar unmittelbare und einzige
Quelle aller gesellschaftlichen Erscheinungen und Zusammenhänge.


Keine Ahnung was Marx sagt, find ich auch nicht viel wichtiger als ob im
19. Jahrhundert ein Sack Reis umgefallen ist oder zwei. Ob ich mich 
seiner Ansicht anschliessen kann, hängt wohl davon ab wie wir
"Geschichte"
und "Klasse" definieren wollen.

Ich wäre aber der letzte der Zusammenhänge verkürzen würde und schon gar
nicht fahrlässig !!!

Klassen und Herrschaftswidersprüche sind nicht mehr als Denkschubladen
und können somit keinen Anspruch erheben, mehr als eine ganz bestimmte 
Blickweise auf einen kleinen Teil der komplexen Wirklichkeit abzubilden.

m G, Beni
________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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