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Re: Re: [ox] Neu hier - Geld und Tauschhandel



Ref.: 	«Re: [ox] Neu hier -  Geld und Tauschhandel»
 		Benedikt Huber
 		(2002-11-05, 16:32:51 [PHONE NUMBER REMOVED], KW 45/2002)


Hallo Beni,

Da Du viele Argumente aus anderen mails einfach in den Wind zu
schlagen scheinst, will ich hier nochmal einzeln auf einige Punkte
Deiner Antwort eingehen:

								[ Mumpeln und Chipkarten ]
								[ keine Naturalien als Abgabe? ]
								[ "jeder kann Vieh züchten" ]
								[ Entschuldung durch Vieh-Inflation? ]

[ Mumpeln und Chipkarten ]

Die zweite Frage hast Du nicht beantwortet: wo geht es hin? Warum
muß es unbedingt 'Geld' sein, was der Herrschende da eintreibt?
(Sorry, aber ich mache die Frage nochmal durch absurd scheindende
Ergänzungsfragen deutlich: warum haben sei keine Abgaben in Form
von Mumpeln verlangt?  oder in Form von Kakao-Blättern,
Feldsteinen, Chip-Karten oder Liedern? -- Die Fragen werden
übrigens weniger absurd, wenn man bedenkt, daß im Laufe der
Geschichte durchaus auch Steine, Zigarren und gar Blumen in den
Rang von Währungen geraten sind. ...

Aeh zu Deinen Fragen sind die wirklich
ernst gemeint? 

Ja.

Was sind "Mumpeln" ? Chipkarten gabs noch nicht. 

Bingo! -- Aber das ist doch nach Deiner eigenen Argumentation gar kein
Argument:

Der Herrscher ( "Mumpel-/Chipkartenherr" ) gibt die
Mumpeln/Chipkarten aus, die Menschen können damit ihre Schulden bei
ihm bezahlen...

Wo ist da -- nach Deiner Denke -- das Problem?

Siehe (-- wenn man hier für Kohle (statt Briketts oder Schüttgut oder
so) je nach Wahl Mumpeln oder Chipkarten einsetzt --):

Stell Dir vor die Truppen des Herrschers kommen ins Dorf
und sagen nächstes Jahr um die und die Zeit (Kalender!)
kommen wir wieder und wenn wir nicht die und die Summe
Kohle von Euch kriegen brennen wir alles nieder und
schlitzen Euch die Bäuche auf.

Woher ihr die Kohle kriegt? Ja wenn Ihr Vieh und Getreide
in die Stadt bringt und Eure Söhne in die Armee steckt dann
kriegt ihrs vielleicht zusammen.

oder:

Wieso denn? Die _Mumpeln/Chipkarten_ müssen nicht zu dem Zeitpunkt
im Umlauf sein in dem die Steuer auferlegt wird. Wenn ich Dir sage,
Du zahlst in einem Jahr diese und jene 'Summe', hast Du ein Jahr
Zeit, sie aufzubringen, und ich als Herrscher habe ein Jahr Zeit,
die _Mumpeln/Chipkarten_ in Umlauf zu bringen.

Achso, was ich vergessen hatte:

Was sind "Mumpeln" ?

Bingo! Mumpeln gibt es im Gegensatz zu Chipkarten immer noch
nicht. Und die Frage war genau -- warum nicht?!

Hätte mich Dein Ansatz nicht so verwirrt, dann hätte ich vielleicht
einfach nur gefragt, warum die Herrscher damals noch kein Papiergeld
eingeführt haben.

[ keine Naturalien als Abgabe? ]

Wenn Du meinst, warum hat man nicht irgendeine Ware wie Vieh oder
Getreide genommen, so ist die Antwort, dass nur der Herrscher
Münzengeld schaffen konnte. 

Also, da Du keine Fakten bringst, obwohl Du Dich in Geschichte besser
auskennst, hier mal ein Ausschnitt aus der Geschichte des
Zweistromlands (Lagasch ca. 23. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung):

«Das Archiv der Tempelwirtschaft der Göttin Baba zeigt, daß sich ihr
Bodenbestand in drei Kategorien gliederte. Zur ersten gehörte die
eigentliche Tempelwirtschaftserde, die von den Gemeindemitgliedern
... bearbeitet wurde. Die zweite Kategorie waren die Bodenanteile, die
einem Teil des Tempelpersonals -- kleinen Verwaltern, Ackerbauern und
Handwerkern -- als "Versorgungsgrundlage" zugeteilt wurden. Solche
"Versorgungsgrundlagen" erhielten auch die Krieger des Tempels. Das
System der "Versorgungsgrundlagen" ... wurde später auch in den
Wirtschaften der Großherrscher angewandt... Die anderen Grundstücke
wurden allen, die es wollten, gegen einen Anteil an der Ernte
überlassen.»

Ich sehe hier sehr wohl Getreide als Abgabe. Und so was wie
Frohndienste, und so was wie die später so-genannten Lehen sehe ich
auch -- aber kein Geld!

Aber daß es Abgaben in anderer Form als Geld auch gab, hast Du
hoffentlich nicht _ernsthaft_ bestritten. Bliebe noch die Frage, ob es
die vielleicht nicht doch schon vorher gegeben haben könnte, bevor
jemand (nach Deiner Argumentation) das Geld 'erfunden' hat. 

    (Da ich Deine Argumente für viel zu widersprüchlich halte, bleibe
     ich vorerst bei der Annahme, daß Geld nicht vor der Abgabe oder
     dem Tausch erfunden wurde, sondern daß es sich auch bei den von
     Dir gemeinten Münzen (selbst in der von Dir genannten Zeit) um
     eine Weiterentwicklung (Standardisierung) der 'Abgaben' in Form
     von Wertgegenständen bzw. Luxusgütern (u.a. Edelmetall) handelt,
     welche den _relativ_ verbreiteten Gebrauch von (vorwiegend
     nutzlosen) Wertgegenständen im Handel (Pelze, Schmuck, Edelsteine
     und Edelmetall, Gegenständen daraus usw.) voraussetzte. Deine
     Verschwörungstheorie des Geldes kann ich einfach nicht
     nachvollziehen.)

[ "jeder kann Vieh züchten" ]

Stell Dir vor die Steuern wären in Vieh bezahlt worden, so wäre ein
Herrscher bald auf riesigen Viehherden gesessen, gegen die er aber
nicht beliebige Dienstleistung/Waren hätte eintauschen können.

Hätte, würde, könnte -- alles Quatsch: Was meinst Du wohl worauf
Djingis Chan & Co. gesessen haben?! Und wo das herkam?! Oder waren das
keine Herrscher? Und daß die Herrscher in Mesopotamien
Getreidespeicher betrieben und damit sehr wohl diverse Dienste und
anderes 'eintauschten' hast Du hier auch einfach ausgelassen. Die
haben sogar Land gehortet und wieder verteilt (um sich der
Naturalabgaben und Dienste von den Empfängern zu versichern), obwohl
das noch viel unhandlicher ist als Getreide und Vieh zusammen
genommen -- und da waren sie nicht die Einzigen!

Entschuldige, aber das zieht einem doch die Schnürsenkel aus den
Gummistiefeln:

Jeder kann Vieh züchten, das käme dem gleich dass jeder Geld drucken 
könnte. 

Hast Du schonmal davon gehört, daß Menschen verhungert sind?!
(unabhängig davon ob es Geld-Steuern gab oder nicht) 
    (-- Oder meinst Du, daß das, was wir als Hungersnöte bezeichnen,
     in Wirklichkeit Fleischvergiftungen durch zu hohen Verzehr von
     Vieh waren, das ja jeder züchten konnte?)

Und daß gerade das Bestreben, der Überschwemmungen und Dürreperioden
Herr zu werden, u.a. in Mesopotamien zu gewissen gesellschaftlichen
Strukturen geführt hat?

Falls Du das aber alles doch weißt und einfach nur anders verstehst
als ich, dann möchte ich die Fragen lieber präziser und im
Zusammenhang mit Mesopotamien stellen (weil ich Dich nicht verarschen
möchte, obwohl ich mir selber von Dir verarscht vorkomme):

Wie erklärst Du, daß es gerade der 'Ensi' war, der zunehmenden Einfluß
gewann? Wenn nicht aus dem Grunde, daß er der Oberverwalter des
Bewässerungssystems war? Wie erklärst Du, daß es auf einmal
ausgerechnet Enentarsi war, der zum Herrscher von Lagasch wurde und
die Priester in den Hintergrund verdrängte? -- Und warum ihm dann auf
einmal faktisch mehr als die Hälfte des Bodens von Lagasch gehörte?!

Hoffentlich sagst Du jetzt nicht wieder bloß, daß hätte ausschließlich
daran gelegen, daß eben zufällig ausgerechnet er das Geld erfunden und
es allen anderen aufgedrängt hätte nach dem Muster:

Sein _Geld_ aber _mussten_ sie nehmen, da sie es brauchten und nur
von ihm kriegen konnten. Sie mussten ihm dafür liefern, was immer
er anzunehmen geruhte.

[ Entschuldung durch Vieh-Inflation? ]

Aber das ist ja wohl der Gipfel...:

Die Bevölkerung könnte sich somit über eine Art Vieh-Inflation
entschulden.

Das hätte der Herrscher -- nach Deiner Logik -- nämlich einfach mit
einem Monopol auf Vieh-Prägung verhindern können. Beim Geld hat's doch
auch geklappt!  Sonst hätten seine Söldner eben die Hütten
niedergebrandt und die Bäuche aufgeschlitzt! Im Interesse der
Stabilität des Viehwerts.

Viel Spaß noch beim Betrachten des Zusammenhangs zwischen Begriffen,
Vorstellungen, Einbildung & Realität! Es wäre auch hilfreich, wenn Du
die Widersprüche zwischen Deinen Argumenten selber kommentieren
würdest -- einfach um den Eindruck zu vermeiden, Du wollest uns (mich)
hier wirklich nur verarschen. Danke

und Gruß, Casimir.
________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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