FAQ



Inhaltsverzeichnis

Diese FAQ-Seite (Frequently Asked Questions) sammelt Fragen, über die in der Mailing-Liste OekonuxLocal link nachgedacht wird. Dieser FAQ ist kein FAQ im üblichen Sinne, auf dem irgendwelche Gurus ihre Weisheiten verkünden - solche haben wir nicht. Es ist ein Versuch, die Diskussionen zu strukturieren und dadurch leichter faßbar zu machen. Er ist auch dafür gedacht, einen leichten Einstieg in die Oekonux-Liste zu finden. Einfach eine Frage - oder eine Antwort - aufgreifen und zurück in die ListeMail link tragen - vielleicht mit einem Kommentar oder einer anderen Fragestellung?

Der FAQ wird von Stefan MertenMail link gepflegt. Ich hangele mich an den ThreadsLocal link entlang. Die letzte Mail, die im FAQ berücksichtigt ist:

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1. Gnu/Linux und klassische Ökonomie-Begriffe

1.1. Gnu/Linux und Anreize tätig zu werden

1.1.1. Welche Anreizstruktur kennt der Neoliberalismus?

From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Mon, 26 Jul 1999 00:46:50 +0200

Der andere Punkt den ich ansprechen möchte ist die Anreizstruktur. Die liberalen IdeologInnen verstehen unter Anreiz wohl in der Tat nur einen monetären. Das hat ja Risha auch während der Diskussion ein paar mal anklingen lassen.

Auch das macht natürlich nur in einer Gesellschaft Sinn, in der am Besitz bzw. Erwerb von Geld ein vitales Interesse besteht. In einer Gesellschaft, in der Geld jedoch keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielt, treten diese Anreize in den Hintergrund und die primären Anreize, die Menschen antreiben treten in den Vordergrund.

Original

From: Sabine Nuss <nussini@zedat.fu-berlin.de>

Date: Mon, 26 Jul 1999 14:19:34 +0200

Aber nein. Auch da gibt es Entwicklungen, die Neoklassiker sind nicht nur technokratische und funktionalistische Bösewichte, die nur Zahlen aggregieren können. Es ist ihnen durchaus klar, daß sie mit ihren Modellen die Wirklichkeit nicht abbilden können und sie betonen durchaus, daß sie sich im Prozeß der Forschung befinden. Es ist wichtig, deren eigenen Theorien nicht über einen Kamm zu scheren. Der Anreizstruktur liegt ja das Modell des nutzenmaximierenden Individuums zugrunde. Also der Mensch strebt danach, "mehr Güter weniger Gütern" vorzuziehen. Dieser "Trieb" ist der Anreiz seines Tuns. Ein Individuum, was nun meinetwegen anonym Blut spenden geht, paßt da natürlich nicht rein...nun wurde das Modell aber erweitert, so daß auch "Altruismus" eine Erklärung bei den Neoklassikern findet. Wie das geht? Die Entscheidungen, die ein Individuum trifft, ist abhängig von der Ideologie, die in dem entsprechenden Land gerade vorherrscht. Wenn Altruismus ein anerkannter Wert in einer Gesellschaft ist und das Verhalten Ruhm und Ehre einbringt (Linux lingering in the back...), so ist das altruistische Verhalten in dieser Gesellschaft eben nutzenmaximierend. Das heißt, der Faktor "Ideologie" wurde in das Modell integriert und damit kannst Du jetzt posthum alles als rational erklären, was der Mensch tut - je nach Ideologie. Das Problem daran, daß man alles erklären kann, ist leider, daß es nichts mehr erklärt. :-)

Original

From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Tue, 27 Jul 1999 00:07:52 +0200

Das halte ich z.B. schon für eine absolut ahistorische Herangehensweise. Über Jahrtausende haben es Menschen überhaupt nicht eingesehen, mehr Arbeit (d.h. auch Mehrarbeit) zu leisten, als zum sicheren Überleben nötig war. Dies mußte mit dem heraufziehenden Kapitalismus, bei dem die Menschen eben auch sehr brutal von ihrer Subsistenzgrundlage getrennt wurden - damit sie sich dem ungewohnten Rhytmus der Fabrik, dem unerbittlichen Takt der Maschine, dem gnadenlosen Ticken der Uhr unterwerfen.

Original

1.1.2. Warum tut eigentlich jemand was für Gnu/Linux?

From: Pit Schultz <pit@icf.de>

Date: Mon, 26 Jul 1999 20:33:59 +0200

Warum arbeiten Leute in Non-Profit Unternehmen? Es gibt "Unternehmensziele" wie auch Lebensziele die nicht in erster Linie monetaer sind, sofern ein Grundeinkommen gesichert ist. Warum sind bestimmte Jobs beliebter als andere bei weniger Lohn? Der Reduktionismus der Oekonomen alles in Geldkreislaeufen zu denken ist gerade in der "Informationsgesellschaft" problematisch.

Original

From: Sabine Nuss <nussini@zedat.fu-berlin.de>

Date: Fri, 30 Jul 1999 16:10:01 +0200

"Selbstentfaltung des Menschen" ist, wenn ich es recht verstehe, der Umstand, daß die Leute in der Arbeit sich nach dem Spaß und nicht nach dem Markt richten können und bei Linux ist dies der Fall, richtig? Ich denke, der Spaß erfolgt erst aus der Sache, nämlich daß ein Produkt uneingeschränkt für sich selbst, für seine Nützlichkeit, ohne Rücksicht auf all die Schranken (ja, Schranken!), die man unter Marktbedingungen üblicherweise hat (Kostendruck, Personal- und Ressourcenknappheit, Konkurrenzdruck, Erfolgsdruck (Gewinnzweck)....blabla...) wegfallen. Daß also frei von diesen Schranken produziert werden kann, mit dem Hauptzweck, daß das Ding nachher gut ist, statt mit dem Zweck, daß das Ding nachher Gewinn machen muß....Insofern find ich schon den bereits erwähnten "Wert" des "Gebrauchs" als primärer Produktionszweck das charakteristische und wichtige an Linux & Co. Das ist sehr pragmatisch: Ich mach was, weil ichs gut finde und weil es mir nutzt. Wenn die Folge daraus meine Selbstentfaltung ist, beziehungsweise die damit einhergeht, ist das wunderbar. Wahrscheinlich wird es wohl auch so sein. Demnach ist der eigentliche Zweck und Antrieb der Leute, die da arbeiten, jener Gebrauchswert, nicht jener der Selbstentfaltung, den kriegen sie quasi als gratis-Erfahrung mit, vielleicht deckt sich das auch,

Original

From: "Stefan Meretz" <stefan.meretz@hbv.org>

Date: Sun, 1 Aug 1999 17:30:51 +0100

Spaß ist eine notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung. Flipper spielen kann Spaß machen, aber mit Selbstentfaltung hat das nicht viel zu tun. Selbstentfaltung ist Spaß haben UND die der eigenen Individualität gemäßen Entwicklungsmöglichkeiten voll ausschöpfen.

Original

From: Bettina Berendt <Bettina.Berendt@educat.hu-berlin.de>

Date: Tue, 3 Aug 1999 10:02:59 +0200 (MET DST)

One reason for releasing software/opinions for free is to get comments. For example, in mailing lists a small percentage of the participants writes a large percentage of postings. Most of the remaining postings are comments made by the other participants. These comments are valuable feedback/input for the (more obviously) active participants.

Original

From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Sun, 15 Aug 1999 23:33:28 +0200

Könnte es nicht einfach sein, daß sie schlicht *nichts* für die Veröffentlichung kriegen?

Original

From: Bettina Berendt <Bettina.Berendt@educat.hu-berlin.de>

Date: Tue, 3 Aug 1999 10:05:37 +0200 (MET DST)

Yes, there is a fundamental difference between Open Source programmers and other groups of people who work a lot for little or no money (let's say, unskilled manual workers). Open Source programmers have skills for which there is a lucrative market, so it seems that they really have a choice (in contrast to the unskilled manual workers).

Original

From: Oliver Hillmann <ohil@tequila.in-berlin.de>

Date: Wed, 4 Aug 1999 01:12:29 +0200 (CEST)

To add one thing to the effort of approaching free/open source developer's motivation: As someone developing programs for a living, I often really feel it very much satisfying to work at something which is in my eyes both more useful and more challenging compared to what I do during work... This corresponds which what I said before about intrinsic motivation and 'pays back' in self esteem and pure satisfaction about a piece of work...

Original

From: Rainer Fischbach <rf@rainer-fischbach.com>

Date: Tue, 17 Aug 1999 03:15:53 +0200

Um etwas Verallgemeinerbares über die Motivation derer zu sagen, die zu freier Software oder irgendwelchen Foren beitragen, wissen wir einfach nicht genug. Es sind ja auch so wenige (sicher deutlichweniger als 1% der Internet-Teilnehmer), daß wir es sicher mit einem Verhalten zu tun haben, das in keiner Weise repräsentativ für die Gesamtheit ist. Deshalb läßt sich daraus auch nicht die Logik der ganzen Sache destilieren.

Original

From: Rainer Fischbach <rf@rainer-fischbach.com>

Date: Tue, 17 Aug 1999 03:15:53 +0200

Es gibt einfach eine Vielzahl von nicht tauschrationalen Motiven: Hier kämen von dem Verlangen nach Berühmtheit oder Reichtum (auf Umwegen, die in einer Gesellschaft, die immer mehr nach dem Prinzip »the winner takes all« funktioniert, mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zum Erfolg führen und deshalb so wenig wie das Lottospielen als tauschrational gelten können) über die Begeisterung am Programmieren oder guter Software, dem Bedürfnis nach sozialem Kontakt und Meinungsaustausch, bis zu der moralischen Überzeugung, daß man der Allgemeinheit auch etwas geben muß oder zu Zielen wie dem, Bill Gates oder gar den Kapitalismus zu stürzen, alles Mögliche (auch in Mischung) in Frage.

Original

From: Steffen Schwigon <ss5@ophon.sax.de>

Date: 08 Oct 1999 00:56:38 +0000

Hm. Vielleicht ist es einfach die Komplexität der Tätigkeit. Jeder kann sich ein Gebiet raussuchen, welches ihm besonders liegt: Low-level-Byte-Schieberei, High-Level-Problemabstraktionen, Anwendersoftware, Entwicklersoftware, Games, Utilitities, Hacken, Cracken, usw. Und jedes Teilgebiet ist in sich wieder sehr komplex.

Man kann darin seinen eigenen Stil ausleben und entwickeln, ohne daß es einem Außenstehenden (Chef, breite Software-Konsumentenmasse, ...) wirklich möglich möglich wäre, einem Vorschriften über die Art und Weise der Realisierung machen zu können (also vielleicht wahre Freiheit bei der Arbeit?

Original

From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Sat, 09 Oct 1999 16:10:36 +0200

Programmieren ist auch Machtausübung. Die ProgrammiererIn übt durch ihre Tätigkeit Macht auf eine Maschine aus. Und auf eine hochkomplexe Maschine noch dazu. Nicht umsonst ist es auch heute noch relativ angesehen, wenn jemensch mit Computern virtuos umgehen kann, sie im wahresten Sinne des Wortes beherrscht.

In einer Welt, in der sich der einzelne Mensch in praktisch allen Bereichen, jedenfalls aber allen gesellschaftlich als machtlos erlebt

Auch hier sehe ich einen deutlichen Hinweis auf eine künftige Gesellschaft, in der die Menschen eben mehr Einfluß auf ihr eigenes Leben haben müßten als sich heute dem stummen Zwang der Verhältnisse (vulgo: Geld) ausliefern zu müssen.

Original

From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Sun, 17 Oct 1999 17:43:50 +0200

Und da gibst du mir - ungewollt - gleich noch ein Stichwort: Ja, sie hat die komplexe Maschine selbst geschaffen. Wenn es sich wirklich um ein größeres Teil handelt, dann hat sie auch eine eigene Welt geschaffen. Und das Weltenerschaffen ist ja eigentlich sogar Gottes Job...

[...]

Macht hat mal jemand definiert, als die Fähigkeit, etwas gegen Widerstände durchzusetzen - und so ein Computer kann ja zuweilen ein recht widerständig Ding sein ;-) . In diesem Sinne erleben sich Programmierende sicher als machtvoll.

Original

1.1.3. Welche Rolle spielen monetäre Anreize für die Entwicklung von Gnu/Linux?

From: Pit Schultz <pit@icf.de>

Date: Mon, 26 Jul 1999 20:33:59 +0200

Nicht jede Transaktion von Information ist durch Geld ueberkodierbar. Flat rates sind populaerer als micropayment. Warum? weil die Leute so irrational sind, dass sie ab einer gewissen Grenze genug vom Geld haben. Linux existiert weil Programmierer heutzutage kein Problem haben Geld zu verdienen, aber oft vom Herzen her eigentlich an guten Problemloesungen interessiert sind und nicht an lukrativen Haesslichkeiten.

Original

From: Bettina Berendt <Bettina.Berendt@educat.hu-berlin.de>

Date: Tue, 3 Aug 1999 10:02:59 +0200 (MET DST)

Open Source and Advertisement

Medosch, Ghosh report that texts/articles published as "Open Source" in the Internet brings money to the author in a number of ways:

Original

1.1.4. Und welche Rolle spielt die "Aufmerksamkeitsökonomie"?

From: Bettina Berendt <Bettina.Berendt@educat.hu-berlin.de>

Date: Tue, 3 Aug 1999 10:02:59 +0200 (MET DST)

"Economy of Attention"

Problem\: this is not working very well (the "star system" - a handful of people like Torvalds and Stallman get all the attention, and the money for interviews, talks, etc., that goes with it; even if the proportion of Linux written by Torvalds is now below 10%)

Original

From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Sun, 15 Aug 1999 23:33:28 +0200

Genau das Star-System sehe ich als den schlagenden Gegenbeweis gegen diese Aufmerksamkeitsökonomie, die m.W. vor allem von Raymond vertreten wird. Zumindest gegen den Teil, der Aufmerksamkeit in geldwerte Vorteile verwandelt sehen will.

Was noch die Frage ist.

Klar hat nicht jedeR die Aufmerksamkeit, die Mick Jagger oder Bill Clinton genießt(?). Aber ich bezweifele auch stark, daß Aufmerksamkeit

In der Essenz finde ich diese Idee mit der Aufmerksamkeitsökonomie eine ziemlich doofe Idee, irgendwie so etwas geldartiges einzuführen.

Original

From: Oliver Hillmann <ohil@tequila.in-berlin.de>

Date: Wed, 4 Aug 1999 01:12:29 +0200 (CEST)

And althought public attention is what happens only to some, prominent or leading members of the community (which again is a term which to me implies the above 'psycho-social, emotional exchanges') like Torvalds, Raymond, or Stallman, it definetely happens within the communities' social areas (read: the Web, Usenet, mailing lists) on a daily basis to many of the more average free/open source software people.

Original

From: Rainer Fischbach <rf@rainer-fischbach.com>

Date: Tue, 17 Aug 1999 03:15:53 +0200

Letztes Jahr gab es in der IMD-Liste eine ausführliche Diskussion zu Thema »Ökonomie der Aufmerksamkeit«, in der ich darauf aufmerksam machte, daß Aufmerksamkeit

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1.1.5. Wovon leben eigentlich die EntwicklerInnen von Gnu/Linux?

From: Bettina Berendt <Bettina.Berendt@educat.hu-berlin.de>

Date: Tue, 3 Aug 1999 10:02:59 +0200 (MET DST)

Many software writers release pieces of software as Open Source which they developed in the course of developing a customised product, and which is likely to be useful as a tool outside the context of this customised, sold product. In development, they also use a lot of Open Source (and free) software.

They make their living as independent programmers, working in a company, or as a consultant. Companies realise that if every single utilised tool was to be paid, the costs would be astronomical. This leads them to allow some of the value created to flow back into the free/open Source market.

Original

From: Oliver Hillmann <ohil@tequila.in-berlin.de>

Date: Wed, 4 Aug 1999 01:12:29 +0200 (CEST)

I think that releasing some commercially produced software for free needs one of the following motivations:

Original

From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Sun, 15 Aug 1999 23:33:28 +0200

Was zu überprüfen wäre. Ich glaube da ehrlich gesagt nicht so richtig dran. Wer im kommerziellen Umfeld sollte auch nur das geringste Interesse daran haben, irgendwas nochmal neu zu programmieren, was das gekaufte Unix ohnehin schon bietet? Es darf ja nicht vergessen werden, daß ganz viele Gnu-Software Reimplementierungen bereits vorhandener Programme sind. Daß sie in aller Regel um einiges besser, sicherer und funktionaler sind als die Originale, ist m.E. übrigens auch dadurch begründet, daß die Benutzung der vorhandenen Software und deren Defizite sattsam bekannt waren.

Das ist ebenfalls Unfug. Auch kommerzielle Unix-Systeme werden auch heute noch als komplette C-Entwicklungssysteme ausgeliefert - und nicht zu astronomischen Preisen. Mensch darf ja nicht vergessen, daß das was Linux heute kann über weite Strecken ja Schnee von gestern oder vorgestern ist. Das Core-System wurde so oder so ähnlich schon Anfang der 80er verkauft.

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From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Tue, 17 Aug 1999 00:29:03 +0200

Wenn ich dich recht verstehe, dann treibt dich die Frage um, wie OS-EntwicklerInnen eigentlich zu Geld kommen - in einer Welt, in der Geld de facto das einzig wirklich nötige Lebensmittel ist, eine wichtige Frage.

Im Lichte unserer Ehrenamt/Hobby-Debatte frage ich mich allerdings, ob dieser Punkt wirklich so außergewöhnlich ist. Wenn ich z.B. an Schrebergärten denke und die Arbeit, die dort aufgebracht wird, scheint mir die Arbeit, die in Gnu/Linux steckt nicht so ungewöhnlich.

Insofern finde ich die Frage, wie Gnu/Linux-EntwicklerInnen sich finanzieren nicht nicht so irre interessant

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1.2. Gnu/Linux und die Warenform

1.2.1. Was ist Wert?

From: "Stefan Meretz" <stefan.meretz@hbv.org>

Date: Thu, 12 Aug 1999 07:42:06 +0100

Wo kommt der Wert her? Nur aus der Produktion oder auch aus der Distribution. Ich bin da nicht völlig überzeugt, nehme aber hier die Position ein, das der Wert NUR aus der Produktion (materieller Güter) kommt. Dienstleistungen mal außen vor gelassen.

Der geschaffene Wert muß reichen, um der Distribution einen Teil abzugeben. Historisch vertrieb ja auch der Produzent direkt die Waren, es galt Produzent war auch Verteiler. Trennt man die Aufgaben, will der Verteiler einen Teil vom schon vorhandenen Wert abhaben. Das bedeutet aber, Sabine, daß der Verteiler nicht von Käufer bezahlt wird, sondern vom Produzenten. Dort wo Geld ist, wird nicht unbedingt auch Wert geschaffen. Anders bei der Zwischenproduktion\: die ist auch Produktion. Auf der Plantage wird der Bohne durch Bearbeitung Wert zugesetzt, wie auch der Röster der Bohne Wert durch Bearbeitung zusetzt. Der Kaffee-Dealer aber (sofern nicht auch Röster) kriegt vom Röster einen Wertanteil in Geldform dafür ab, das er das Zeug unter Volk bringt - den potentiellen Wert auch realisiert.

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From: Rainer Fischbach <rf@rainer-fischbach.com>

Date: Tue, 17 Aug 1999 03:15:53 +0200

Wert ist eine Abstraktion, die die Güter der Ökonomie kommensurabel machen soll. Die entwickelten Tauschgesellschaften haben eine gesellschaftliche Institution entwickelt, die dem Wert eine konkrete Form gibt: das Geld. Marx und vor ihm schon die älteren bürgerlichen Ökonomen glaubten, die gesellschaftliche Substanz des Wertes in der Arbeit fassen zu können. Der so gefaßte Wert ist jedoch unmittelbar weder durch den monetären Preis einer Ware noch durch das konkret in ihr steckende Arbeitsquantum (den Wert bestimmt die durchschnittlich, beim Stand der Produktivkräfte notwendige Arbeitszeit) zu messen. Was bleibt ist nur die Hypothese, daß der Markt letztlich die Proportionalität von Preis und Wert herstellt (in dieser Hinsicht hatte Marx ein ähnliches theologisches Vertrauen in den Markt wie die Neoliberalen ;-). Daß das in einer von Monopolen beherrschten Wirtschaft stattfindet, halte ich für extrem unwahrscheinlich. Das beste Gegenbeispiel ist M$. Die Annahme, daß die Wertabstraktion sich auf alle menschlichen Lebensäußerungen ausdehnen ließe, oder genauer: ihnen eigentlich zugrunde liege, ist jedenfalls recht abenteuerlich. Das wird zwar immer wieder versucht, scheitert jedoch regelmäßig.

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1.2.2. Kann der Begriff Tausch sinnvoll auf Gnu/Linux angewandt werden?

From: Pit Schultz <pit@klubradio.de>

Date: Mon, 26 Jul 1999 20:03:59 +0200

man kann aber sagen (wenn ich Sabine recht versteht) dass der "tausch", des freien kopierens, alleine schon ein oekonomischer prozess ist. das ist rishabs richtung. dass arbeit investiert wird, ressourcen geteilt werden. es gibt ja auch geldfreie oekonomien.

Original

From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Wed, 28 Jul 1999 00:03:09 +0200

Das ist ja gerade *nicht* die Idee von Open Source / Free Software. JedeR kann sie benutzen auch ohne einen Beitrag geleistet zu haben - so wie bislang ich z.B. auch. Wie lange schwöre ich jetzt schon auf den `gcc' ;-) .

Original

From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Tue, 27 Jul 1999 01:37:11 +0200

Fakt ist, daß in jeder einzelnen Gnu/Linux-Kopie Arbeit drinsteckt - also ist es Kapital. Allerdings wurde die Arbeit nicht ertauscht. Irgendwie habe ich das Gefühl, daß der Eigentumsbegriff hier einfach unbrauchbar ist.

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From: Bettina Berendt <Bettina.Berendt@educat.hu-berlin.de>

Date: Tue, 3 Aug 1999 10:02:59 +0200 (MET DST)

Ghosh's "cooking pot model": everybody is putting in value and getting out value, and the sum (= the contents of the cooking pot) has more value than the sum of its parts (= the individual pieces of software).

Original

From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Sun, 15 Aug 1999 23:33:28 +0200

Das fand ich noch einen der interessantesten Gedanken von Ghosh.

Allerdings habe ich auch hier den Eindruck, daß da nichts wesentlich neues dran ist. Könnte mensch nicht sagen, daß die Leute, die um den Cooking-Pot herumstehen schlicht und ergreifend kooperieren um ein besseres Ergebnis als die Summe ihrer Einzelteile zu erhalten?

Original

From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Fri, 06 Aug 1999 00:53:25 +0200

Wann macht es Sinn von Tauschwert zu sprechen? Nehmen wir vorkapitalistische Gesellschaften, in denen es z.B. Jahrmärkte gab. Sicher hatten die Dinge, die da auf diesen Jahrmärkten getauscht wurden einen Tauschwert - ohne den wären sie nicht zu tauschen gewesen.

Ob es Waren im entwickelten kapitalistischen Sinn waren, wage ich aber schon durchaus zu bezweifeln. Ich schätze, daß vieles davon nicht unmittelbar *für* den Tausch hergestellt wurde, sondern als Nebenprodukt des üblichen subsistenzwirtschaftlichen Daseins anfiel.

So gesehen wären die damaligen Märkte eine Keimform kapitalistischer Märkte gewesen, die bereits Elemente des späteren enthielten, aber noch sehr in der alten Form gefangen waren. Ich schätze ein ähnliches Bild dürfte für Gnu/Linux zutreffen - werden wir in 100 Jahren wissen ;-) .

Aber zu meiner Ausgangsfrage nach dem Sinn. In einer solchen Gesellschaft war Tauschwert einfach nicht dominant sondern hat nur in Nischen eine Rolle gespielt. So gesehen ist es einfach nicht interessant, ein Phänomen, das den Kapitalismus dominiert, einfach auf alle anderen Gesellschaftsformen zu übertragen. Genauso abwegig fändet ihr es vermutlich, die massive Dominanz der Kirche in europäischen mittelalterlichen Gesellschaften auf heutige Verhältnisse zu übertragen, in denen die Kirche mittlerweile in einer Nische der Gesellschaft gedrängt ist.

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From: Rainer Fischbach <rf@rainer-fischbach.com>

Date: Tue, 17 Aug 1999 03:15:53 +0200

Die überwiegende Mehrheit davon sind reine Konsumenten, die kein Bedürfnis verspüren, keine Zeit haben oder sich vielleicht auch nicht für fähig halten, etwas in den Topf zu werfen.

In der Regel findet also keinesfalls ein Äquivalententausch statt und was die angeht, die doch etwas beitragen, darf man getrost annehmen, daß wir es hier mit einer Pluralität von Motiven zu tun haben. Daß sie das als Tausch verstehen, ist eher unwahrscheinlich, da die/der Einzelne ja auch etwas bekommt, wenn sie/er nichts in den Topf tut. Und wenn sie/er etwas hineintut, dann vergrößert sich der Topfinhalt um genau diesen Beitrag den sie/er ohnehin schon hat. Mehr kommt dabei nicht rum. Vom Standpunkt der Tauschlogik ist das schlicht irrational, was solche Leute machen. Die Tauschrationalität, die RAG konstruiert, ist Schein. Er begeht hier einen naturalistischen Fehlschluß, indem er stillschweigend ein ethisches Motiv (die Suche nach einem moralischen Gleichgewicht) als ökonomisches unterschiebt.

Original

1.2.3. Was macht ein Produkt eigentlich zur Ware?

From: Rainer Fischbach <rf@rainer-fischbach.com>

Date: Wed, 28 Jul 1999 14:51:44 +0200

Die Meßbarkeit der drinsteckenen Leistung ist _keine_ Voraussetzung für das Warendasein. Der kapitalistische Markt handelt vieles, dessen Arbeitsinhalt unbekannt ist oder in keinem Verhältnis zum Preis steht. Der Preis bildet sich (im liberalen Ideenland) entweder auf dem Markt nach Angbot und Nachfrage oder wird (etwas oft realistischer) durch durch Monopolmacht. Der Wert (im marxistischen Sinne) ist die durchschnittliche gesllschaftlich notwendige Arbeitszeit für die Herstellung eines Produkts. Das ist die Kombination einer ziemlich starken Abstraktion mit einer recht umfassenden Aggregation und ob, wie die marxistische Theorie behauptet, der Preis letzten Endes sich immer dem Wert annähert, ist alles andere als klar. . .

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From: Rainer Fischbach <rf@rainer-fischbach.com>

Date: Wed, 28 Jul 1999 18:28:14 +0200

Der Immobilien, der Kunst- und der Antiquitätenhandel tun das laufend. Bei bebauten Grundstücken kann der Arbeitsinhalt sogar wertmindernd sein. Der kapitalistische Markt verwertet Arbeit nicht nur sondern entwertet sie auch laufend.

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1.2.4. Was ist der Wert von Linux?

From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Tue, 27 Jul 1999 01:37:11 +0200

Wenn ich von Wert rede, dann meine ich den Marx'schen Tauschwert. In einer normalen kapitalistischen Ware wird dieser Wert mehr oder weniger durch den in ihr vergegenständlichten Arbeitskraft geprägt (genauer: durch die durchschnittlich gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit, die ihre Produktion benötigt).

In diesem Wertbegriff hat jede Gnu/Linux-Kopie einen quantifizierbaren Tauschwert, der letzlich in Geldform die anteiligen Lebenhaltungskosten der EntwicklerInnen bemißt - allerdings wie bemerkt nicht beglichen wird.

Davon unterschieden ist der Marx'sche Gebrauchswert, der sich nicht über die marktförmige Vermittlung herstellt wie der Tauschwert, sondern der an die konkrete Nützlichkeit eines Objekts gebunden ist - das nützliche Substrat der Tauschbeziehung praktisch.

Dieser Gebrauchswert ist von der bestehenden Ökonomie erstmal unabhängig und auch nicht in dem Sinne quantifizierbar wie es der Tauschwert ist.

Original

From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Thu, 29 Jul 1999 01:26:09 +0200

Tauschwert hat Gnu/Linux sehr wohl - er spielt lediglich keine Rolle; weder bei der Distribution noch bei der Produktion.

Zur Begründung würde ich mal behaupten, daß Tauschwert eine gesellschaftliche Setzung ist. Und in unseren Gesellschaften ist das gesetzt für jedwede Arbeit die geleistet wird durch den Wert, der zur (gesellschaftlichen) Erhaltung der produzierenden Arbeitskraft nötig ist.

Hmmm... Eigentlich weiß ich auch nicht so genau und ist vielleicht auch nur Wortklauberei?

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From: "Stefan Meretz" <stefan.meretz@hbv.org>

Date: Thu, 29 Jul 1999 17:18:26 +0100

Linux selbst hat keinen TW, obwohl Arbeit drinsteckt. Es wird aber verschenkt, ist nicht knapp. Es ist *nur* nützlich. Was anderes ist das mit den Distributionen, die entsprechenden Firmen stecken Arbeit rein und verscherbeln ihre CDs. Die haben Wert und Preis. Und die Firmen gehen an die Börse, ganz normal.

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From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Fri, 06 Aug 1999 00:53:25 +0200

Das ist aber nicht prinzipiell so. Prinzipiell wäre das ja schon zu machen - auch wenn du dann natürlich umfangreiche Abrechnungssysteme und den ganzen Overhead kapitalistischer Transaktionskosten (habe ich das jetzt richtig eingesetzt ;-) ?) einführen müßtest. Ich meine irgendwelche transkontinentalen Konzerne können mit ihrer global distributierten Produktion solche Dinge auch - zumindest irgendwie zuschreiben.

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From: "Stefan Meretz" <stefan.meretz@hbv.org>

Date: Thu, 12 Aug 1999 07:42:06 +0100

Linux ist ja keine Ware. Aber angenommen, Linux wäre eine, dann ist das faktische Zurückverfolgen auf die Einzelarbeiten unwichtig. Der Tauschwert ist ein gesellschaftliches Verhältnis - und nicht eines individueller Waren-Gegenstände. In Linux stecke x Stunden Arbeit drin. Wäre Linux Ware und würde auf dem Markt vertickt und der potentielle Wert somit realisiert werden, dann wäre Linux eben x Stunden Arbeit (=x Menge Geld) wert. Besonders anschaulich: Die Verteilung von Linux übers Internet z.B. trüge nix zum Wert bei. E-Commerce klaut also nur den alten Verteiler ein Stück vom Wertkuchen, neuer Wert wird nicht geschaffen (auch die technische Infrastruktur wird nur gekauft).

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1.2.5. Wem gehört Gnu/Linux?

From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Wed, 28 Jul 1999 02:03:50 +0200

Na nenne mir mal ein öffentliches Gut, in dem Arbeitskraft steckt, dessen Eigentumsverhältnisse aber derart offen - eigentlich vor allem irrelevant sind. Bei den anderen öffentlichen Gütern wie Straßen und so - was mir jetzt so einfällt - hast du immer ganz klar eineN EigentümerIn.

D.h. ein unaufregendes öffentliches Gut ist es m.E. schon mal nicht.

Original

From: Rainer Fischbach <rf@rainer-fischbach.com>

Date: Wed, 28 Jul 1999 14:51:44 +0200

Nun ist Eigentum vielleicht nicht der richtige Begriff für Software. Aber es gibt andere Rechte, z. B. das Urheberrecht sowie die vertraglichen Recht aus der Lizenz und die befinden sich in den Händen z. B. der FSF oder wem auch sonst. Freie Software ist kein herrenloses Gut und das ist auch wichtig: Sonst wär es nicht möglich, die Bestimmungen der GPL durchzusetzen. (s. u.) . Generell brauchen öffentliche Güter ein Subjekt (das im Staat organisierte Gemeinwesen, einen Treuhänder wie die FSF, etc.) das ihre Öffentlichkeit durchsetzt und sichert (»öffentliches Gut« ist ein politischer Begriff) sowie Konflikte bei hrer Nutzung regelt.

Original

From: Sabine Nuss <nussini@zedat.fu-berlin.de>

Date: Wed, 28 Jul 1999 16:45:11 +0200

Na, und was liegt dem Urheberrecht zugrunde? Etwas, woraus ein Recht abgeleitet wird, ein Objekt des Rechts also und das Subjekt, dem es zugeordnet wird, ist jener/jene, dem/der das Recht zukommt. Das ganze Verhältnis ist dann das Eigentumsverhältnis. Ein Urheberrecht ohne Leute mit Recht drauf und ohne Dinge, auf die die Leute dann ein Recht haben, gibt es nicht. Anders; Urheberrecht setzt Eigentum voraus. Ob materiell oder immateriell. Insofen ist das Urheberrecht nur die vertragliche Regelung der zugrundeliegenden Eigentums(zu)ordnung.

Original

From: Rainer Fischbach <rf@rainer-fischbach.com>

Date: Wed, 28 Jul 1999 18:28:14 +0200

Nein Urheberrecht setzt weder Eigentum voraus noch irgendein vertragliche Regelung. Das BGB kennt das Eigentum an Sachen und definiert es durch das Recht auf Herausgabe und exklusive Nutzung - beides Rechte, die auf für die Veröffentlichung bestimmte Werke nicht übertragbar sind. Das Urheberrecht bedarf keines Vertrags und keiner offiziellen Anerkennung (im Gegensatz zu dem Privileg, das ein Patent verleiht). Es ist das mit dem Werk entstehende Recht, über seine Veröffentlichung zu bestimmen und es wirtschaftlich zu nutzen. Beide Rechte unterliegen diversen Einschränkungen und Fristen, während das Eigentum an Sachen z. B. nicht verfällt. Der Begriff des geistigen Eigentums kommt im deutschen Recht nicht vor, sondern wurde erst in neuerer Zeit aus dem Englischen übernommen. Es ist auch wenig sinnvoll, andere Rechte mittels des Begriffs »Eigentum« erklären zu wollen, da Eigentum selbst erst durch Rechte begründet wird.

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From: Rainer Fischbach <rf@rainer-fischbach.com>

Date: Thu, 29 Jul 1999 02:06:36 +0200

das Urheberrcht setzt keine Eigentumsordnung voraus. Vielmehr wird es umgekehrt erst nachträglich in Gesellschaften, die eine solche kennen, in diese eingefügt und dementsprechend ausgestaltet. (z. B. sind laut BVG-Urteil das Werk und die darauf bezogenen Rechte im vermögensrechtlichen Sinne als Eigentum zu behandeln) Das muß aber nicht notwendigerweise so sein. Eine Gesellschaft kann die persönlichen und wirtschaftlichen Interessen von Urhebern auch in anderer Form anerkennen.

Original

From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Fri, 30 Jul 1999 01:05:42 +0200

Es ist wichig, zwischen Eigentum und Besitz zu unterscheiden.

Das Eigentum ist in der Tat lediglich ein formal gesetztes Ding, daß letzlich völlig beliebig sein kann und mit realen sozialen Zusammenhängen aber auch gar nichts zu tun haben muß. So sind die Eigentümer einer großen Firma ja lediglich über einen formalen Titel mit ihr verbunden.

Anders verhält es sich mit dem Besitz, von dem dann gesprochen wird, wenn eine unmittelbare Beziehung zwischen einem Menschen oder einer Gruppe und einem Gut besteht. Das Wort (be-sitzen) legt das übrigens schon nahe.

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1.2.6. Ist Gnu/Linux eine Ware?

From: Oliver Hillmann <ohil@tequila.in-berlin.de>

Date: Mon, 26 Jul 1999 22:09:12 +0200 (CEST)

Freie Software im GPL'schen ist keine Wahre, weil sie letztlich niemandem (oder jedem?) gehört... Bei 'open source' Software kann das wieder anders aussehen, wenn Weitergabe etc. eingeschränkt werden...

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From: Rainer Fischbach <rf@rainer-fischbach.com>

Date: Wed, 28 Jul 1999 14:51:44 +0200

Es gibt heute eine recht ausgefeilte Softwaremetrik. Man könnte einem Produkt wie GNU/Linux also schon einen Wert im Sinne durchschnittlich notwendiger Arbeitszeit und letzten Endes auch einen Preis in DM zumessen

Original

From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Fri, 17 Sep 1999 13:45:42 +0200

Sie produzieren eben gerade keine Waren (d.h. Produkte, die zur Vermarktung bestimmt sind und letztlich deswegen hergestellt werden), sondern Güter (d.h. Produkte, die wegen ihres Gebrauchswerts hergestellt werden). Ich finde diesen Unterschied nicht nur nicht nebensächlich, sondern geradezu die Hauptsache.

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From: "Frank Oppenheimer" <Frank.Oppenheimer@Informatik.Uni-Oldenburg.DE>

Date: Fri, 17 Sep 1999 16:31:53 +0200

Du hast Recht. Es handelt sich nicht um eine Ware (Tauschwert). Linux et.al. erscheinen als Produktionsmittel im Verwertungsprozess auf, ohne dabei etwas zu kosten. Sie verhalten sich analog zu publizierten Forschungsergebnissen, die im Prinzip auch jede(r) einsetzen, sie aber nicht für sich allein beanspruchen, kann. Mit Linux et.al. werden Waren produziert; sie selbst sind aber keine. Sie treten nur an die Stelle von Waren/Produktionsmitteln, wie Windoof oder Visual C--. Das wollte ich sagen - habe es aber selber nicht verstanden :)

Die Intention zur Beteiligung an der Entwicklung von Open Sources ist also moralisch gut (Zweck ist unmittelbar der Mensch.). Ein andere andere Situation tut sich auf, wenn das Management Linux entdeckt. Hier ist der Zweck wieder Profit, nicht der Mensch. Somit ist Linux bei GMX nicht besser als Windows NeverTrustit (außer für GMX).

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1.2.7. Wenn Gnu/Linux keine Ware ist, was ist es dann?

From: Sabine Nuss <nussini@zedat.fu-berlin.de>

Date: Tue, 27 Jul 1999 00:52:34 +0200

Ich glaube, im neoklassischen Sinne ist GNU/Linux schlicht ein Produkt, hergestellt aus dem Humankapital "Arbeitskraft" und mit Hilfe dem Sachkapital "Maschine (Computer) und Gebäude (Haus, Büro)"und gehören tut es der Öffentlichkeit, weil es ist ein öffentliches, für alle frei zugängliches Gut...

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1.3. Gnu/Linux und Transaktionskosten

1.3.1. Was sind eigentlich Transaktionskosten?

From: Sabine Nuss <nussini@zedat.fu-berlin.de>

Date: Mon, 26 Jul 1999 14:19:34 +0200

Hm. Also, Transaktionskosten sind kein Geld, sondern "Aufwand". Ganz im neoklassischen Sinne, in dem es kein Geld (monetär, klimper...) gibt, sondern nur "Kapital".

Die Definitionen von Transaktionskosten sind unterschiedlich, wirklich, jeder sagt Dir das was anderes. Grob aber:

Transaktionskosten sind die Kosten, die aufgewendet werden müssen, um Markttransaktionen vorzunehmen. Es sind sozusagen Kosten, die beim Tausch von Gütern- und Dienstleistungen entstehen, wobei die Kosten des Tauschs insgesamt zunehmend höher werden, je spezialisierter und arbeitsteiliger ein Markt ist. Nach der Neuen Institutionen Ökonomik (NIÖ) sind Transaktionskosten ein Teil der Produktionskosten.

Demnach setzen sich die Gesamtkosten der Produktion nicht nur zusammen aus den Aufwendungen für Boden, Arbeit und Kapital, die zur Transformation der physischen Eigenschaften eines Gutes (Größe, Gewicht, Farbe, Standort, che-mische Zusammensetzung usw.) benötigt werden, sondern auch aus jenen Aufwendungen, die zur Transaktion benötigt werden, d.h. zu Abgrenzung, Schutz und Durchsetzung der Eigentumsrechte an Gütern.

Es gibt Messungs- und die Erfüllungkosten.

Die Messungskosten sind quasi der Preis für die Informationen, die das Wirtschaftssubjekt über das zu tauschen beabsichtigte Gut haben muß, um seine Größe, seine Qualität, seine Beschaffenheit, kurz: seine positiven Attribute richtig einschätzen zu können. (Weil um etwas sein eigen nennen zu können, muß es abgrenzbar sein und um etwas abgrenzen zu können, muß es quantifizierbar, also meßbar sein....) Die Transaktionskosten sind umso höher, je schwieriger es ist, ein Gut zu messen. Normierungen wie die DIN-Norm oder die Etablierung von Gütesiegeln sorgen daher für niedrige Transaktionskosten. Erfüllungskosten sind die Kosten für die Durchsetzung und Erfüllung der mit der Eigentumssicherung verbundenen Verträge.

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1.3.2. Sind die Transaktionskosten wirklich niedrig?

From: Pit Schultz <pit@icf.de>

Date: Mon, 26 Jul 1999 20:33:59 +0200

das ist spannend. den bei Linux liegt ja folgendes vor. es folgt offenen standards, senkt dadurch eigentlich nach obiger Def. die transaktionskosten,

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From: Sabine Nuss <nussini@zedat.fu-berlin.de>

Date: Tue, 27 Jul 1999 00:52:34 +0200

Ich glaube, im neoklassischen Sinne ist GNU/Linux schlicht ein Produkt, hergestellt aus dem Humankapital "Arbeitskraft" und mit Hilfe dem Sachkapital "Maschine (Computer) und Gebäude (Haus, Büro)" und gehören tut es der Öffentlichkeit, weil es ist ein öffentliches, für alle frei zugängliches Gut...auf alle Fälle und das ist glaube ich ein wichtiger Punkt: Die Transaktionskosten sind gleich null. Weil weder Eigentumsrechte gesichert werden müssen, noch muß quantitativ gemessen werden, damit es aufgeteilt und abgegrenzt und angeeignet werden kann. Wenn die Transaktionskosten gleich null sind, dann ist laut Neoklassik der Idealzustand des freien Marktes erreicht. Irgendwie dreht sich hier alles im Kreis...Versteht das noch einer? Die Neoklassik als verkappte Kommunisten? Und wir haben es alle nicht gemerkt? Tsts...Schlafmützen!

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From: Rainer Fischbach <rf@rainer-fischbach.com>

Date: Tue, 17 Aug 1999 03:15:53 +0200

Es stellt ein grobes Mißverständnis dar, die Transaktionskosten mit den Kosten der elektronischen Verteilung gleichzusetzen. Gerade der Einsatz »kostenloser« Produkte aus dem Internet kann mit horrenden Transaktionskosten verbunden sein. Die Informationsbeschaffung, die Produktauswahl, der Einkauf von Support etc. können hier sehr aufwendig sein. Auch mit kommerziellen Produkten liegen diese bei Systemeinführungen in großen Unternehmen hoch genug - oft höher als die Lizenzkosten für die Software oder die Hardwarekosten.

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1.3.3. Sind die Transaktionskosten entscheidend niedriger als bei anderen Produkten?

From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Tue, 27 Jul 1999 00:44:53 +0200

Nehme ich mal als Ansatzpunkt. Von vielen wird ja ins Feld geführt, daß Linux nur deswegen so ein Erfolg wäre, weil es mit sehr geringen Kosten kopiert werden kann. Das gilt aber spätestens seit der ständig fortschreitenden Entwicklung der Kopierer auch für Bücher - und dort hat es keine vergleichbare Entwicklung gegeben. Und das obwohl es Bibliotheken (d.h. FTP-Server) gibt, von denen sich die Menschen die Bücher ziehen könnten.

Ähnliches gilt für die Musik- und Filmindustrie.

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From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Tue, 17 Aug 1999 00:29:03 +0200

Da fällt mir noch ein schönes Beispiel ein, daß ich mal in einer kurzen Stummfilmszene gesehen habe, das hier ganz gut paßt:

Eine Frau, na ja, mehr eine Dame hat eine Autopanne. Sie ruft einen Mechaniker hinzu, der nach kurzer Inspektion einen Schlag mit einem großen Hammer an eine bestimmte Stelle ausführt - und der Motor läuft wieder. Als der Mechaniker dann seine Rechnung präsentiert, beginnt die Dame zu lamentieren: "Für diesen einfachen Schlag so eine hohe Rechnung?" - "Gewußt wo!" antwortet der Mechaniker.

Was das zeigen soll: Die tatsächlichen Produktionskosten eines Guts - oder hier einer Dienstleistung - sind oft unverhältnismäßig zu den Entwicklungskosten. Das spannende an Linux ist aber, daß diese Entwicklungskosten eben nicht auf die einzelnen Produkte umgelegt werden.

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1.3.4. Hat Gnu/Linux nicht nur deswegen solchen Erfolg, weil seine Transaktionskosten so niedrig sind?

From: spindler@unix-ag.uni-kl.de

Date: Mon, 18 Oct 1999 21:01:07 +0200 (CEST)

Ja, denn ohne die von Anfang an bestehende Moeglichkeit an Universitaeten Linux quasi kostenfrei (ca. 30 Disketten und in der meist ausreichend vorhandenen Freizeit) zu erhalten und ohne die dadurch entstehende Dynamik im Entwicklungsprozess waere Linux qualitativ nicht so hochwertig. Ich denke das gleiche laesst sich auch auf GNU uebertragen.

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1.4. Alternative Ökonomie-Begriffe

1.4.1. Gibt es alternative Begriffe von Ökonomie?

From: Bettina Berendt <Bettina.Berendt@educat.hu-berlin.de>

Date: Tue, 3 Aug 1999 10:05:37 +0200 (MET DST)

authors who are tied by non-reputation-related motives, e.g., "love for freedom". It was not settled in the discussion whether these less quantifiable motivations should have been included in the economic model.

Berendt\: This is related to my remarks on a different definition of the word "economic". There are many economic models who do just this - include things like "love for freedom", and even "altruism".

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1.4.2. Was ist das Cooking-Pot-Modell?

From: Oliver Hillmann <ohil@tequila.in-berlin.de>

Date: Wed, 4 Aug 1999 01:12:29 +0200 (CEST)

Rashid mentioned that according to the cooking pot model value keeps flowing from and to the cooking pot (which represents some rather anonymous group or community of free/open software people) to which you belong as well, if you choose to. The main difference to 'ordinary vlaue flow' may be that this usually happens between individuals or entities who/which you know, can tell from other people and entities and are not anonoymous - you know from whom and to whom value flows...

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1.4.3. Was hat es mit dem One-Dollar-Click auf sich?

From: Oliver Hillmann <ohil@tequila.in-berlin.de>

Date: Wed, 4 Aug 1999 01:12:29 +0200 (CEST)

The 'One-dollar-click' idea came from Stallman, IIRC. And he very much insisted on having an appropriate infra structure (the 'dollar-clickable' web interface) which makes it as easy to pay a dollar for a piece of software (or whatever) as it is with paying street performing artists... Drop it to them as you go buy.... You dont have to sign a bank order to pay a nice street performing artist, and I guess that they would get much less for their art if they pass out bank order forms instead of passing a hat... Which might be the big big problem with shareware as we know it...

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2. Das Besondere an Gnu/Linux

2.1. Integration von Gnu/Linux in den Kapitalismus

2.1.1. Warum hypet Gnu/Linux momentan so?

From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Tue, 07 Sep 1999 22:50:02 +0200

Die Manager, die momentan auf den Linux-Zug springen, rennen nur einem der üblichen Manager-Hypes hinterher.

Aber die Software-TechnikerInnen wissen wovon sie reden - bei denen ist die Einsicht leicht.

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2.1.2. Könnte es ein ähnliches Produkt im Kapitalismus geben?

From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Tue, 07 Sep 1999 22:50:02 +0200

Nun, das ist ja mehrfach versucht worden - auch wenn eher selten von neuen Firmen sondern von Zusammenschlüssen der größten Konzerne. Wenn ich nur an das traurige Schicksal der vielversprechenden Power-PC-Architektur denke, die damals immerhin von Motorola, IBM und Apple in Stellung gegen das Wintel-Kartell gebracht wurde...

Aber auch Betriebssysteme wie OS/2 oder BeOS oder NextStep, oder... Nichts war in der Lage die Dominanz des teuren Schrotts zu brechen - unglaublich eigentlich - aber das Schlechtere setzt sich eben durch (siehe VHS bei den Videosystemen, Dolby bei der Rauschunterdrückung, etc. pp.).

Erst als einige Analysten NT schon als *das* Server-Betriebssystem der Zukunft sahen - erst dann kam Gnu/Linux ins Spiel.

Es war also offensichtlich im Kapitalismus nicht möglich.

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2.1.3. Wo liegen Widersprüche zwischen Gnu/Linux und dem Kapitalismus?

From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Tue, 27 Jul 1999 00:44:53 +0200

Ich sehe es so, daß Gnu/Linux im Prinzip eine postkapitalistische Insel bilden, auf der "jedeR nach seinen Fähigkeiten, jedeR nach ihren Bedürfnissen" schon recht gut verwirklicht ist. Aber natürlich befindet sich diese Insel in einem kapitalistischen Meer und an den Ufern gibt es natürlich Überlappungserscheinungen und Widersprüche.

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From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Thu, 05 Aug 1999 02:01:31 +0200

Die Basar-Produktionsweise ist ein fundamentaler Widerspruch zum kapitalistischen Konkurrenzprinzip. Deswegen ist - zumindest im Kern - eine Integration in kapitalistische Verwertung nicht möglich.

Ich versuch's mal auf ein anderes Open-Source-Beispiel zu übertragen: Rezepte. Zwar läßt sich im Randbereich des weltweiten Rezeptwissens Geld verdienen - mit Kochbüchern. Kochbücher sind dann so etwas wie Linux-CDs.

Der Kern der Open-Source-Rezepte läßt sich aber nicht kapitalisieren. Ein kapitalistisches Rezeptwesen sähe dann vermutlich so aus, daß es einige wenige Rezepte gäbe, die als Betriebsgeheimnis mehr oder weniger großer Firmen geheim gehalten würden. Als NutzerIn kannst du vielleicht noch die Zutaten in deinem Essen identifizieren (wie bei einem Auto) - an das Originalrezept kommst du aber nicht heran.

Kannst du dir vorstellen, wie klein, fad und langweilig eine kapitalistische kulinarische Welt wäre - ein Graus!! Vermutlich müßten wir dann noch Werbung für den ungenießbaren Fraß ertragen...

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2.1.4. Sind diese Widersprüche auflösbar?

From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Thu, 05 Aug 1999 02:01:31 +0200

Ähm aber noch was zur immanenten Grenze: Die Gnu/Linux-Entwicklung konnte nur stattfinden, weil eben kein Chef das angeordnet hat und weil kein Markt das "gefordert" hat (Märkte fordern natürlich nicht, dewegen die Anführungszeichen). Stefan Mz.s These ist ja gerade, daß die Basar-Produktionsweise neue Produktivkräfte freisetzt, die sofort wieder verschwinden, wenn sie unter kapitalistischen Druck gesetzt werden.

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From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Thu, 05 Aug 1999 02:01:31 +0200

Ob es eine Integration des Prozeßes gibt wissen wir heute nicht. Nach den immanenten Grenzen sieht es aber so aus, als könnte es nicht gehen. Ungefähr so, wie die freien Lohnarbeiter, derer der aufkommende Kapitalismus bedurfte, ein Widerspruch zu den immanenten Grenzen der Leibeigenschaft waren.

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2.1.5. Kann Gnu/Linux in den Kapitalismus (re-)integriert werden?

From: Pit Schultz <pit@klubradio.de>

Date: Mon, 26 Jul 1999 20:03:59 +0200

wenn aber erst einmal eine oekonomie messbar und benennbar ist, wenn die schnittstellen zum markt definiert sind (was raymond vorangetrieben hat, aber bei stallman bereits angelegt ist) dann ist der naechste schritt eben die oekonomisierung von open source, der boersengang von red-had und suse z.b. Dabei wird dann ganz spannend zuzusehen ob die community genug druck ausueben kann dass der boersengewinn wieder z.T. rueckinvestiert wird in entwicklung (a la xfree).

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From: Oliver Hillmann <ohil@tequila.in-berlin.de>

Date: Mon, 26 Jul 1999 23:19:03 +0200 (CEST)

Never! Ein Kasten Bier (free beer, sozusagen), daß sie das nicht kann - ich tippe eher auf Rückzug als auf Aufstand. Eine Reaktion, die ich jetzt schon bei einigen GNU'lerInnen (GNUs?) sehe, ist der Boykott von SuSE, Red Hat und dergl... (Rückzug also nicht aus der Szene, sondern eher Distanzierung von den GewinnlerInnen)

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From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Tue, 27 Jul 1999 00:44:53 +0200

Auch wenn das sicher wünschenswert wäre halte ich das nicht für das Entscheidende. Der Witz ist, daß Gnu/Linux niemals privatisiert werden können!

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From: "Stefan Meretz" <stefan.meretz@hbv.org>

Date: Tue, 27 Jul 1999 10:46:23 +0100

Linux *gehört* Linus Torvalds. Diese Art von *Eigentum* ist jedoch irrelevant, da die GPL es allen zur Verfügung stellt. Selbst Linus Torvalds kann Linux nicht reprivatisieren.

Original

From: "Stefan Meretz" <stefan.meretz@hbv.org>

Date: Sun, 1 Aug 1999 17:30:51 +0100

Kann der Kapitalismus `Linux' integrieren oder nicht. Hier muß Produkt und Prozeß unterschieden werden, sonst gibt's Konfusion. Ja, auf jeden Fall wird das Produkt Linux geschluckt oder besser integriert, das sieht man bei der Welle der Linux-Bekundungen der Big-Player (fehlt nur noch M$). Was verwertbar ist, wird auch verwertet. Daher das schöne Bild des Stricks, den der Kapitalist verkauft und dann daran aufgehangen wird. Anders beim Prozeß: Die Basar-Produktionsweise kann nicht integriert werden, da die immanenten Grenzen das nicht zulassen. Natürlich werden sie's versuchen, sogar M$ empfiehlt (siehe Halloween-Papiere), intern `linuxmäßig' vorzugehen und zwischen den Abteilungen den Sourcecode offenzulegen (echt: M$ arbeitet auch intern teilweise mit closed Sources!). Aber erstens haben sie's nicht geschnallt, denn open Source ist nicht das wesentliche, und zweitens könnten sie, selbst wenn sie's mal kapieren, nicht vollständig umsetzen - Deine Grenzen oben!

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2.1.6. Kann das Internet als kommerzieller Erfolg bezeichnet werden?

From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Wed, 28 Jul 1999 00:03:09 +0200

Von der ja nun aus meiner Sicht weiß Gott nicht die Rede sein kann. Seit ca. zwei Jahren höre ich immer wieder, daß jetzt der große Kommerzialisierungsschub im Internet bevorsteht. Klar ist inzwischen mehr kommerzielles im Netz und sicher wird eCommerce sich auch noch weiterentwickeln. Ich schätze vor allem ein breit akzeptiertes Geldsystem im Internet wird hier zu weiteren Durchbrüchen führen.

Aber außer einem Börsen-Hype, der ob seiner nicht-existenten Gundlage - mensch könnte angesichts der märchenhaften Überbewertung der dot-com-Aktien glatt von einer Prekarisierung der Finanzmärkte sprechen - ist m.E. bisher keine gravierende Umwälzung eingetreten. Nach wie vor gibt es massenhaft kostenfreie Angebote; bei weitem mehr als kostenpflichtige. Es ist nach wie vor und immer leichter möglich, für wenig bis kein Geld im Internet zu surfen und z.B. Mailing-Listen zu betreiben - diese hier als lebendes Beispiel.

Also ich kann nur sagen, daß ich diesem ganzen Gerede von der Kommerzialisierung des Internets bisher nicht viel abgewinnen kann.

Original

From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Sun, 26 Sep 1999 18:18:34 +0200

Was mein Punkt war, auf den mich der Artikel gebracht hat: Das Internet scheint nicht in der Lage zu sein, etwas eigenständiges Neues hervorzubringen, daß sich profitabel vermarkten läßt. Also nicht so etwas wie das Automobil in den 40er (USA) und 50er (Europa) Jahren. Es ist also nicht das vom Kapital so lange ersehnte Feld, auf dem die händeringend herbeigesehnten neuen Märkte entstehen. Das relativiert BTW natürlich auch massivst die traumhaften Arbeitsplatzaussichten, die uns manche PolitikerIn ab und an mal hierzulande verkaufen will.

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2.2. Die Produktionsweise von Gnu/Linux

2.2.1. Wo finde ich Literatur zur Art und Weise der Entstehung von Gnu/Linux?

From: "Stefan Meretz" <stefan.meretz@hbv.org>

Date: Mon, 26 Jul 1999 15:58:53 +0100

Chris DiBona, Sam Ockham, Mark Stone (1999) (Eds.): Open Sources. Voices from the Open Source Revolution. Sebastopol et al. (O'Reilly), 280 Seiten.

Komplett online unter: http://www.oreilly.com/catalog/opensources/book/toc.html

Siehe auch: Die Stimmen der Revolutionäre http://www.heise.de/tp/deutsch/special/wos/6448/1.html

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2.2.2. Wie funktioniert die Steuerung der Produktion in Gnu/Linux?

From: Annette.Schlemm@t-online.de (Annette Schlemm)

Date: Sat, 02 Oct 1999 15:08:35 +0100

K.Kelly (New Rules for the New Economy : 10 Radical Strategies for a Connected World) "Without some element of governance from the top, bottom-up control will freeze when options are many. Without some element of leadership, the many at the bottom will be paraly-zed with choices."

Rötzer, F., Hacker und Aufmerksamkeitsökonomie, 17.11.1998, in: Internet\: http://www.heise.de/tp/deutsch/special/wos/6439/1.html: "Solche "Autoritäten" können sehr unterschiedliche Formen annehmen, aber sie ziehen kraft ihrer Position und der Beherrschung des Aufmerksamkeitsspiels kollektive Aufmerksamkeit auf sich und "schenken" Integration, die es ermöglicht, interne Konflikte aufzulösen - und sie werden desto eher als "Führer" anerkannt, wenn sie nicht nur gruppenspezifische Kompetenz, sondern auch gruppenintegrierende und nach außen wirkende Kompetenz besitzen. Die Besitzer, Führer, Prominenten oder Integratoren verteilen die Aufmerksamkeitsressourcen, was auch heißt, wer was machen darf und wem was zugeschrieben wird."

DiBona, C.,Ockman, S., Stone, M., Open Sources: Voices from the Open Source Revolution http://www.oreilly.com/catalog/opensources/book/intro.html: "One thing that keeps this happening is the open methods used in the development of the Linux kernel. Linus Torvalds, Alan Cox, and the rest run a tight ship and are the central authority for adding and accessing the kernel. The Linux kernel project has been called a benign dictatorship, with Linus as its dictator, and so far this model has produced a nicely written tight kernel without too much extraneous cruft in it."

Original

2.2.3. Was unterscheidet die Produktionsweise von Gnu/Linux von der anderer Produkte?

From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Sat, 09 Oct 1999 16:10:36 +0200

Programmieren birgt ein hohes Potential an Kreativtät und i.d.R. sind auch die Freiräume dafür gegeben, diese Kreativität auch auszuleben. Könntest du das unterschreiben?

Jedenfalls würde ich sagen, daß sich Programmieren sicher (u.a.) in diesen Punkten von ganz vielen anderen (Lohn)arbeiten unterscheidet. Am ähnlichsten ist diese Tätigkeit vielleicht wissenschaftlichen oder künstlerischen welchen - oder?

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2.3. Das Produktivkraftmodell von Gnu/Linux

2.3.1. Was ist Produktivkraft und was ist Produktivkraftenwicklung?

From: "Stefan Meretz" <stefan.meretz@hbv.org>

Date: Tue, 27 Jul 1999 10:46:20 +0100

PK-Entwicklung hat nix mit Park aufräumen oder so zu tun. Der Begriff geht auf Marx zurück, der von der "Produktivkraft der Arbeit" spricht. Die Kategorie (=analytischer Begriff) Produktivkraft der Arbeit hat quantitative und qualitative Dimensionen. In aller Regel wird Produktivkraft auf Produktivität, also seine quantitative Dimension reduziert. Die qualitativen Dimensionen sind der Inhalt und die Art der Arbeit, also was da gearbeitet wird und womit und wie das organisiert ist. Und wenn man das ganze dann historisiert, kommt man zum Begriff der Produktivkraft_entwicklung_. Ein sehr nützlicher Analysebegriff, der auf die Geschichte der Gesellschaften angewendet eine Periodisierung erlaubt - sozusagen quer (oder über oder unter...) zu den Perioden der Produktionsverhältnisse (Sklavenhalterges., Feudalismus, Kapitalismus mit den jeweiligen Unterphasen).

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2.3.2. Ist das Produktivkraftmodell des Kapitalismus am Ende?

From: "Stefan Meretz" <stefan.meretz@hbv.org>

Date: Tue, 27 Jul 1999 10:46:20 +0100

Der Kapitalismus ist _noch_ nicht am Ende im Sinne von Auflösung (whatever...), sondern die Art der Produktivkraftentwicklung, die der Kapitalismus hervorgebracht hat, ist seine letzte.

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From: Sabine Nuss <nussini@zedat.fu-berlin.de>

Date: Sun, 01 Aug 1999 21:24:03 +0200

Also, langsam komme ich dahinter, was Du meinst. Wenn man Linux mal als kommerzielles Produkt fassen würde und berechnen wollte, wieviel Personal da beteiligt war/ist, wieviele Arbeitsstunden es gebraucht hat, wieviele "Filialen" weltweit das Netz bilden, wieviele "Vertriebskosten" aufgewendet werden mußten und werden...blabla...Linux hätte unter rein marktwirtschaftlichen Aspekten niemals entstehen können, viel zu teuer! Meinst Du das? Weil Du die von mir genannten Schranken erwähnst...

Da ist also ein Produkt außerhalb des Marktes entstanden, weil es am Markt keine Verwirklichungsbedingungen vorfindet...Der Markt quasi als Schranke für Produktion und Entwicklung...Fesseln abstreifen, wenn es zu eng wird ????????? Hm....meinst Du ungefähr das?

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From: "Stefan Meretz" <stefan.meretz@hbv.org>

Date: Sun, 15 Aug 1999 16:36:09 +0100

Der Fordismus (und Taylorismus) hatte als Programm a) den möglichst vollständigen Ausschluß der Subjektivität aus der unmittelbaren Produktion und b) der möglichst vollständigen Vergegenständlichung des idealen Produktionsalgorithmus. In Inkarnation von beidem war das Fließband: Hier war dem Arbeiter vorgegeben, was es wie zu tun hatte. Jeder Handgriff war vorgedacht, und der gesamte Produktionsprozeß als (angenäherter) idealer Algorithmus konzipiert.

Weil b) ab Mitte der 70er zu starr wurde, mußte mit dem Dogma von a) aufgeräumt werden. Der aktuelle Ansatz läßt sich ganz grob so skizzieren: a) Mit Hilfe verschiedener Tricks soll die Subjektivität als Produktivitätsquelle wieder in die Produktion gelockt werden (das Indiz waren unsere Berge von Managementliteratur vor einigen Mails). Im Kern soll der _unüberbrückbare_ Widerspruch zwischen Selbstentfaltung und Fremdbestimmung doch überbrückt werden. Das ist die Begrenztheit, von der Stefan Mn. oben schreibt. b) Der Übergang von der festen zur flexiblen Produktion fällt historisch zusammen mit dem Übergang von der Hardwareorientierung zur Softwareorientierung in den 70ern. Ziel war die *feste* Implementierung der *Flexibilität* als Eigenschaft des Produktionsprozesses, oder anders formuliert: Es ging um den Übergang von der Algorithmisierung der Produktionsprozesse zur Algorithmisierung der _Änderbarkeit_ der Produktionsprozesse. Doch mit der Algorithmisierung der Algorithmisierung wurde kein wirklicher Ausweg geschaffen, denn leider mußte man feststellen, daß Software zwar *änderbarer* als Hardware ist, sich dennoch auch verfestigen kann wie Beton. Ein berühmtes Bsp. solcher betonartigen fest-flexiblen Produktionskontroll-SW ist SAP. SAP ist im Kern fordistisch.

Wenn über b) (die Technik und die Wissenschaft) keine qualitative Lösung gebracht werden kann, bleibt nur a), die Selbstentfaltung des Menschen. Die Linux-Basar-Projekte zeigen eine Idee davon , wie?s gehen kann, wenn der Mensch sich *an und für sich* entfaltet.

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From: "Stefan Meretz" <stefan.meretz@hbv.org>

Date: Wed, 18 Aug 1999 15:30:38 +0100

Aber der Toyotismus (als Begriff bei Dir wohl auch nur in phänographischer Funktion) steht vor einer qualitativer Herausforderung: die Nutzung der letzten Ressource, des Menschen in seiner Ganzheit. Und das pakt er nicht, ist meine These. Toyotismus steht für mich (vielleicht ist das ein Unterschied zu anderen) _nicht_ für eine fertige Epoche, sondern für einen Qualitätssprung, der ansteht, aber kapitalismusimmanent nicht zu bewältigen ist (früher nannte man diese Stelle ?antagonistischen Widerspruch?).

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From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Mon, 06 Sep 1999 22:04:14 +0200

Hier ist aber auch zu bemerken, daß hier auch eine Menge Mist gebaut wurde und teilweise auch Unmögliches versucht wurde. Ich kann mich noch gut erinnern, wie vor dem Fall des japanischen Aktienmarkts Anfang der 90er das "japanische Modell" durch die Managerkreise hypte. Es war ja schon nicht mehr zum Aushalten.

Aber ich kann mich an einen sehr guten Vortrag in der Tele-Akademie erinnern, der beschrieben hat, wie das reale japanische Modell sich eben nicht auf europäische Verhältnisse übertragen läßt - bzw. wie es scheitert, wenn es so hemdsärmelig versucht wird wie im Westen geschehen.

Gut erinnere ich mich z.B. an den dort gezogenen Vergleich zwischen japanischer und deutscher Diskussionskultur in den Betrieben: Die JapanerInnen diskutieren lange - bis sie den Konsens auch tatsächlich erreicht haben und dann die Umsetzung umso besser flutscht.

Unseren hierarchiegeprägten westlichen Managern, die gerade dem Japan-Hype hinterherrennen, dauert eine solche Diskussion - die ja auch schon oft neu war - viel zu lange. Nach einer Weile des Zuschauens sagt der dann "So wird's gemacht" und der Konsens ist zum Teufel. Im Endeffekt ist die Situation sogar schlimmer als vorher, weil sich vielleicht schon ein Zipfel einer konsensfähigen Lösung abzuzeichnen begann oder zumindest unausgegorene, aber interessante Gedanken auf dem Tisch lagen. Und jetzt arbeiten erst recht alle gegen die als Diktat empfundene Chef-Entscheidung. Auch da könnte ich plastische Beispiele erzählen...

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From: Rainer Fischbach <rf@rainer-fischbach.com>

Date: Sun, 29 Aug 1999 16:35:11 +0200

Die Wachstumsraten der Bruttowertschöpfung pro Arbeitsstunde liegen seit den 70ern weit unter den Werten der 50er und 60er, ja sogar ds gesamten Jahrhunderts davor (ja nach Land bei weniger als der Hälfte, einem Drittel oder sogar einem Viertel der früheren). Auf der Basis der Nettowertschöpfung sieht das sogar noch schlechter aus, weil die Kapitalproduktivität seit den 60ern gefallen ist. Eine wichtige Ursache dafür dürfte in der marketinggetriebenen Pseudoinnovativität vieler Wirtschaftszweige (die Compi-Szene spielt da ganz vorne mit) liegen, die vor allem Abschreibungsbedarf produziert . . .

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2.3.3. Was unterscheidet das Produktivkraftmodell von Gnu/Linux von dem anderer Produkte?

From: "Stefan Meretz" <stefan.meretz@hbv.org>

Date: Tue, 27 Jul 1999 10:46:20 +0100

Der Linux-Basar entfaltet _Elemente_ einer neuen Qualität von PK-Entwicklung, die der Kapitalismus (in seiner aktuellen "toyotistischen" Stufe) nicht auf die Reihe kriegt: Die letzte große Produktivitätsressource ist die Selbstentfaltung des Mensch. Selbstentfaltung und Fremdbestimmung sind als Widerspruch unter Verwertungsbedingungen nicht auflösbar. Zwar wird allerlei versucht, um an diese letzte Ressource ranzukommen (tausend Konzepte: Lean production, BPR, Kaizen und wie das alles heißt), aber es kann nicht gehen. Der Linux- Basar unterliegt den Verwertungsbedingungen nicht. Hier gehen Leute rein und mitunter darin auf, weil sie's wollen, weil sie sich (ein Stück weit) darin selbst entfalten können.

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From: "Stefan Meretz" <stefan.meretz@hbv.org>

Date: Fri, 30 Jul 1999 11:01:54 +0100

Ja, Verwertung stimmt, koste es was es wolle, Kopf und Kragen und die Erde. Das Kapital hat maximal den Boden ausgebeutet, hat mit Technik und Wissenschaft Produktionausstöße maximiert, aber an die letzte, ausbeutbare neue Quelle kommt das Kapital nicht so richtig ran: an den Menschen selbst. Trotz aller Versuche, die es gibt. Und das Kapital weiß das im Prinzip (in anderen Worten), guck' die Management-Literatur an. Die dreht sich im Prinzip um nix anderes als um die Frage, wie man an den Menschen rankommt: Motivition, Arbeitsorganisation, Managementtricks usw. Aber den Widerspruch zwischen Fremdbestimmung (letztlich die Anforderungen des Marktes) und Selbstentfaltung des Menschen kriegen sie nicht gelöst. Geht auch nicht, sage ich.

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From: "Stefan Meretz" <stefan.meretz@hbv.org>

Date: Sun, 1 Aug 1999 17:30:51 +0100

Der Bedarf ist da, das Kapital ahnt wo's lang gehen muß, aber tausende Bücher zum selben Thema sprechen für sich: KEINER hat bisher den Stein der Weisen gefunden, und zwar wie der Widerspruch zwischen Selbstentfaltung und Verwertung aufgehoben werden kann. In ihrer Denke geht das auch nicht.

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2.4. Das Prinzip von Gnu/Linux in anderen Bereichen

2.4.1. Wie unterscheidet sich die Produktionsweise von Gnu/Linux von der anderer Produkte?

From: "Stefan Meretz" <stefan.meretz@hbv.org>

Date: Tue, 27 Jul 1999 10:46:23 +0100

Linux konnte nur werden was es ist, weil es der GPL unterstellt wurde. Das war 1991, bereits 1987 gab es MINIX von Tanenbaum, doch der glaubte einfach nicht an die Möglichkeit einer vernetzten kollektiven Softwareentwicklung, und verwendete deshalb eine Lizenzform, die nur ihm die Weiterentwicklung ermöglichte. MINIX kam nicht vom Fleck (hatte allerdings auch ein anderes Ziel: es wurde für die Lehre geschaffen). Siehe auch die Tanenbaum-Torvalds-Debate: http://www.lh.umu.se/~bjorn/mhonarc-files/obsolete/

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From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Wed, 28 Jul 1999 02:22:59 +0200

In Gnu/Linux wird erheblich viel Arbeit investiert. die EntwicklerInnen auf diesem Globus haben ungezählte Arbeitsstunden für dieses Ergebnis verausgabt.

Nun ist dies zunächst noch nichts Besonderes: Auch in z.B. ein Auto sind reichlich Arbeitsstunden investiert worden. Ein Unterschied zu Gnu/Linux ist aber schon, daß hier sehr wohl jemensch die Arbeitsstunden gezählt hat - nämlich um den Preis des Autos zu bestimmen.

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From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Thu, 29 Jul 1999 01:26:09 +0200

In der Tat. Hmm...

Meine Antwort wäre, daß Gnu/Linux dieses alles auf einer Stufenleiter tut - immerhin in globalen Zusammenhängen - auf der ich das Gefühl habe, daß hier eine neue Qualität entsteht. Ah, mir fällt auch ein Grund ein: Weil sich die Arbeitenden eigentlich nicht kennen ... na ja, per eMail werden sich schon viele kennen. :-?

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2.4.2. Ist Gnu/Linux mehr als ein Hobby oder Ehrenamt?

From: Sabine Nuss <nussini@zedat.fu-berlin.de>

Date: Mon, 26 Jul 1999 16:16:36 +0200

Wieso? Woran meinst Du das Ende zu erkennen? Wenn Leute freiwillig die städtischen Parkanlagen pflegen, in Suppenküchen essen ausgeben oder sonstige Dinge auf kostenloser Basis, ehrenamtlich herstellen--------- da würde doch kein Mensch auf die Idee kommen, vom Ende der kapitalistischen Produktivkraftentwicklung zu sprechen. Wieso denn grade bei Freier Software? Wo ist das genau der Unterschied zum Hobby-Heimwerker, zum Modellbau-Verein oder sonstigen alternativen Freizeit-Produzenten?

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From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Wed, 28 Jul 1999 02:22:59 +0200

Nun gilt dies umgekehrt aber für ehrenamtliche Tätigkeit genauso: Auch dort werden oft ungezählte Arbeitsstunden in das Ehrenamt gesteckt. Und auch hier wird die Tätigkeit nicht getan um einen monetären Profit zu erwirtschaften.

Während die Ware (z.B. das Auto) für den Tausch produziert wird und (im Kapitalismus) ohne ein funktionierendes Tauschsystem (d.h. ohne einen Markt) ansonsten keine Existenzberechtigung hat, gilt dies weder für die Produkte ehrenamtlicher Tätigkeit noch für Gnu/Linux. Beide Tätigkeiten werden wesentlich wegen ihres unmittelbaren Nutzens ins Werk gesetzt - d.h. wegen des Gebrauchswerts des Produkts der Tätigkeit.

Es scheint also in der Tat viele Ähnlichkeiten zwischen Ehrenamt und der Produktion von Gnu/Linux zu geben.

Unterschiede scheinen mir die folgenden zu sein:

Ehrenamtliche Tätigkeiten füllen i.a. nur Nischen der kapitalistischen Vergesellschaftung aus - einE BundeskanzlerIn oder VorstandsvorsitzendeR von Chrymler als Ehrenamtliche kann ich mir jedenfalls nicht vorstellen.

So gesehen scheinen mir ehrenamtliche Tätigkeiten nur den notwendigen Schmierstoff zu bilden, ohne den die kapitalistische Vergesellschaftung nicht auskommt.

Weiterhin stehen ehrenamtliche Tätigkeiten normalerweise nicht in Konkurrenz zur warenorientierten Produktion. Gnu/Linux hingegen will ja ganz explizit warenorientierte Produktion (M$) verdrängen.

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From: "Stefan Meretz" <stefan.meretz@hbv.org>

Date: Sun, 1 Aug 1999 17:30:51 +0100

Meine Argumente für eine Nicht-Vergleichbarkeit:

1. Linux steht für die Spitze der PK-Entwicklung im toyotistischen Kapitalismus (sagte auch Stefan Mn. mal) während ein Bastelhobby oder Billiard eher die Handwerker-Periode des Kapitalismus repräsentiert. Das meine ich nicht wertend, es gibt auch Leute, die sich manuell-handwerklich selbst entfalten können. Mich interessiert aber die Spitze.

2. Linux wird für alle gemacht, ein persönliches Hobby mache ich nur für mich und vielleicht ein paar andere. Linux vereint also das Element der verallgemeinerten gesellschaftlichen Produktion (hat Linux mit der kapitalistischen Produktionsweise gemein, was auch Marx als historische Leistung würdigte) mit dem Element der Gebrauchswertorientierung (hat Linux mit dem Nachkapitalismus gemein, was immer das ist).

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From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Thu, 12 Aug 1999 22:29:24 +0200

Hobbies sind Tätigkeiten, die per Definition wegen des dabei entstehenden Gebrauchswerts oft genug aber auch nur wegen der reinen Freude an einer bestimmten Tätigkeit ausgeführt werden. Weiter sind Hobbies - im Rahmen materieller Grenzen - so vielleicht die selbstbestimmteste Tätigkeit, die wir so kennen.

Diese beiden Bestimmungen - _selbstbestimmte_ Tätigkeit, die um _ihrer selbst Willen_ ausgeführt wird - hat m.E. massive Auswirkungen auf die Art und Weise ihrer Durchführung - auf ihre Organisation.

Ehrenämter - ich denke jetzt an die etwas stärker formalisierten - haben einen etwas anderen Charakter. Die Tätigkeit in einem Ehrenamt wird auch in erster Linie wegen ihres Gebrauchswerts und i.d.R. wegen der Freude an der Tätigkeit ausgeführt. Allerdings ist das Ziel der Tätigkeit in einem Ehrenamt i.d.R. auf einen über die tätige Person hinausgehenden Zweck, oft eine Gemeinschaft gerichtet.

Auch hier scheinen mir die Bestimmungen die Art und Weise der Durchführung mitzubestimmen. I.a. wird die Organisation der Tätigkeit in einem Ehrenamt zwar der tätigen Person obliegen, aber als für eine Gemeinschaft arbeitende unterliegt sie natürlich mindestens einer gewissen sozialen Kontrolle und u.U. auch formalen Regularien (z.B. Vereinsvorsitzende).

Lohnarbeit ist durch und durch fremdbestimmt. Sowohl die Art und Weise der Durchführung als auch die Arbeitsinhalte sind absolut durch die KäuferIn der Ware Arbeitskraft bestimmt. Unter kapitalistischen (da war's wieder ;-) ) Verhältnissen ist der sowohl Inhalt als auch Organisation der Lohnarbeit wesentlich durch das Profitinteresse der KäuferIn bestimmt.

Diese Bestimmungen dürften so geläufig sein, daß ich mir eine Illustration hier spare.

Eine interessante Ausnahme bilden hier übrigens öffentliche Dienste, die (noch) nicht überwiegend an Profitmaximierung interessiert sind, sondern die sich um die Versorgung der Bevölkerung mit einem bestimmten Gut oder einer bestimmten Leistung kümmern.

Hausarbeit und andere Reproduktionsarbeit (z.B. Kindererziehung) scheint mir hier eher in den Bereich des Ehrenamts zu gehören. Allerdings mit wenig formalen aber reichlich sozialen Kontrollen.

Unbezahlte, die eigentlich dem Bereich der Lohnarbeit zugerechnet werden müßte, oder sehr schlecht bezahlte Lohnarbeit (z.B. 630DM-Jobs) gehören in die Kategorie der Lohnarbeit. Oft wird von prekären Arbeitsverhältnissen gesprochen und so würde ich das auch sehen. Es sind eigentlich Lohnarbeitsverhältnisse, die aber aus verschiedenen Gründen nicht normal sind - indem sie z.B. so miserabel bezahlt werden, daß sie nicht zur Deckung des Lebensunterhalts reichen.

Wie ich vor längerem schon mal ausgeführt hatte, machen i.d.R. weder Hobby noch Ehrenamt der als Lohnarbeit organisierten Tätigkeit Konkurrenz. Im Zweifelsfall sorgen dann übrigens schon die KapitalistInnen und ihr Staat dafür, daß so etwas nicht bestehen bleibt.

Worauf ich eigentlich raus wollte: Die Art und Weise der Produktion definiert vielleicht nicht die Kategorie, in die eine Tätigkeit einzusortieren ist - aber die Tätigkeitskategorie bestimmt die Art und Weise der Produktion - und m.E. entscheidend!

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2.4.3. Ist Gnu/Linux ein öffentliches Gut?

From: Sabine Nuss <nussini@zedat.fu-berlin.de>

Date: Wed, 28 Jul 1999 12:44:35 +0200

Yup! Noch ein Unterschied. Stimmt. Die Eigentumsverhältnisse!!! Das ist der grundlegende Unterschied. Sach ich mal.

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2.4.4. Gibt es die Prinzipien von Gnu/Linux nicht längst in der Wissenschaft?

From: Bettina Berendt <Bettina.Berendt@educat.hu-berlin.de>

Date: Tue, 3 Aug 1999 10:05:37 +0200 (MET DST)

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2.4.5. Wie könnte eine Übertragung der Prinzipien von Gnu/Linux und des Internet in das Recht aussehen?

From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Tue, 14 Sep 1999 23:19:51 +0200

Kei Ishii & Bernd Lutterbeck Technische Universität Berlin Forschungsgruppe Internet Governance 17. Juli 1999

[...]

Man bezeichnet dieses Regulierungssystem auch als Lex Informatica[2]:

Recht Lex Informatica

Rahmen physikalisches Territorium Netzwerk

Inhalt Vorschriften/Gerichtsurteile Technische Fähigkeiten Gewohnheitspraktiken

Anpaßbare Vertrag Konfiguration Regeln

Anpassungs- implizit (niedrige Kosten) Standardkonfiguration verfahren Standardformen (mittlere Installierbare Konfiguration Kosten) individuelle Aushandlung (hohe Benutzerauswahl Kosten)

Hauptsächliche Gericht Automatisiert, Selbstausführend Durchsetzung

Quelle Staat Informatiker, Techno-Geeks

Werte "Verfassungstradition" ???

[...]

Wenn aber, wie wir behaupten, Open Source Pate stehen kann und soll für das Modell von Gesellschaft überhaupt, dann muß der kozeptionelle Rahmen der Betrachtung erweitert werden. Es geht nur auch um die Offenlegung von irgendwelchen Programmsourcen. Es geht um das Prinzip der Offenheit in modernen Demokratien insgesamt. Wieder kann man von Lessig lernen, was Offenheit in diesem weiten Sinne zumindest beinhalten muß:

Natürlich Open Source, oder Open Code, wie er es nennt.

Darüberhinaus aber:

Open Governance Open Education Open Content Open Security

Und selbstverständlich

Open Law.

So ungefähr müßte eine juristische Programmatik von Open Source aussehen.

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2.5. Welche Probleme könnte es bei der weiteren Entwicklung von Gnu/Linux geben?

2.5.1. Bezüglich der Probleme aus den Widersprüchen zum Kapitalismus?

2.5.2. Bezüglich der Organisierbarkeit?

From: Bettina Berendt <Bettina.Berendt@educat.hu-berlin.de>

Date: Tue, 3 Aug 1999 10:02:59 +0200 (MET DST)

The Open Source system worked with small, closely knit groups. There may be many problems ahead as the community is growing (cf. also Jeannette Hoffmann's talk on Open Standards and their development). The differences between the workings of small, closely knit groups and large, only loosely coupled groups are well-known in Economics. Peer pressure etc. are much stronger in small groups

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From: Bettina Berendt <Bettina.Berendt@educat.hu-berlin.de>

Date: Tue, 3 Aug 1999 10:05:37 +0200 (MET DST)

However, I doubt that large software products (something like, say, Emacs) can be the byproducts of specific, customised software. Large projects to develop large products usually develop their own dynamics, require a lot of dedication, and cannot easily be composed of a zillion little modules that happen to have been byproducts of a large number of diverse people's work (at least, this is my observation). In other words, I think that a lot of high-quality Open Source software requires the concentrated effort (and large parts of the working time) of one or more individuals.

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2.5.3. Bezüglich der Einbeziehung von Gnu/Linux in den Kapitalismus?

From: Bettina Berendt <Bettina.Berendt@educat.hu-berlin.de>

Date: Tue, 3 Aug 1999 10:02:59 +0200 (MET DST)

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2.5.4. Bezüglich der AnwenderInnenorientierung?

From: "Andreas Micklei (OKS)" <micklei@fokus.gmd.de>

Date: Tue, 3 Aug 1999 14:13:04 +0200

I think the examples you picked here are quite unfortunate. Projects like KDE and Gnome are directly aimed at making Linux more useful to non-technical people by hiding a great deal of the complexity under an intuitive graphical user interface. I think the talks about KDE and about Free Software in education have shown that quite clear. A free office suite for KDE is already in the works. There is also a lot of software for blind people to stick to your example. There is the BLINUX project and a hands-free version of emacs (with speech regognition, etc.) for example.

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2.5.5. Bezüglich verschiedener Felder von Software?

From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Tue, 07 Sep 1999 22:50:02 +0200

Zweifellos. Da müßten wir jetzt nochmal bei ESR's Cathederal/Bazaar-Artikel nachschauen, der m.E. recht gut die Effekte beschreibt, die die Produktionsweise so effektiv machen. Bei kleinen Projekten können die Vermassungseffekte nicht auftreten und daher kann sich das Open-Source-Potential da auch nicht so entfalten.

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3. Gnu/Linux und die neue Gesellschaft

3.1. Das Neue an Gnu/Linux

3.1.1. Warum hat Gnu/Linux etwas mit neuer Gesellschaft zu tun?

From: Pit Schultz <pit@klubradio.de>

Date: Mon, 26 Jul 1999 20:03:59 +0200

aber klar, das heisst, dass man sehr vorsichtig sein muss von operating systems auf social systems zu schliessen und von open source auf open economy. gerade in der universalisierung eines modells liegt ja die chance aber auch die gefahr. in postmoderner auslegung sagt man halt open source ist ein lokales wissensgebiet hat aber nichts zu tun mit open markets, und ideologien, also grosse erzaehlungen gibts eh nicht mehr.

das problem dabei ist, dass man durch solche relativiserung genau die zusammenhaenge die schliesslich entstehen wenn open source open markets beeinflussen, unsichtbar macht. die frage waere also: wird "open source" seine eigene postmodernitaet d.h. indifferenz gegenueber ethischen und eher grundsaetzlichen fragen halten koennen, ueberwinden, oder gar daran scheitern und eben in diesen open markets aufgehen, deren regeln es derzeit wenn nicht zu aendern so doch zu modifizieren ansteht.

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From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Tue, 27 Jul 1999 01:37:11 +0200

Die Überwindung des Kapitalismus muß nun gerade darin bestehen, den abstrakten, letzlich fetischistischen Tauschwert zu beseitigen und eine Dominanz des Gebrauchswerts zu erreichen. Und das ist genau das was Gnu/Linux macht!!

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From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Thu, 29 Jul 1999 01:26:09 +0200

Nein, um's erklären *darf* es m.E. gar nicht gehen. Der Witz ist doch, daß die Menschen *spüren*, daß sie eine geile Sache in die Welt gesetzt haben - das macht m.E. eine Menge der momentanen Euphorie aus. Und aus diesem Spüren des Besseren und dem Erleben der Machbarkeit müßte sich dann halt - ohne große Erklärung von uns - der Wunsch wachsen, daß auch andere Teile des Lebens so organisiert werden.

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From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Tue, 14 Sep 1999 20:05:40 +0200

"Nein" zu sagen evoziert [ruft hervor] nicht automatisch ein "Ja" zu irgendetwas. Zwar ist die Kritik wichtig um zu wisse, was verändert werden muß, aber wie und wohin ist eine ganz andere Frage, die sich aus der Kritik i.a. allerhöchstens schemenhaft ableiten läßt.

Deswegen finde ich Gnu/Linux halt auch so interessant, weil es ein "Ja" oder vielleicht eine Vorahnung einer möglichen Form sein könnte.

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3.1.2. Was an Gnu/Linux weist über den Kapitalismus hinaus?

From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Wed, 28 Jul 1999 02:03:50 +0200

Nun, wenn wir uns mal anschauen, wie eine Überwindung des Kapitalismus nach theoretischen Überlegungen aussehen müßte, dann erfüllt Gnu/Linux einfach viele dieser welcher.

Z.B. indem es den Gebrauchswert des Gutes an oberste Stelle setzt - nicht den Tauschwert der Ware.

Z.B. indem es von den ProduzentInnen in freier Absprache freiwillig erstellt wird.

Z.B. indem es ein Produkt ist, das an der Spitze der kapitalistischen Produktivkraftentwicklung liegt - mithin also nach Marx'schen Kategorien am ehesten dafür prädestiniert ist, die Fesseln der Produktionsverhältnisse zu sprengen (hier mal ohne Erläuterung der Begriffe).

Z.B. weil es ein Produkt ist, dessen Existenz sich gegen die herrschende Vergesellschaftungslogik (Vergesellschaftung bezeichnet die Art und Weise wie die Mitglieder einer Gesellschaft zueinander in Beziehung treten. Im Kapitalismus ist primär der Markt die Vermittlungsinstanz.) durchgesetzt hat, ohne daß ein revolutionäres Bewußtsein dem Handeln vorangegangen wäre. Ich denke, daß das sehr an die frühen KapitalistInnen erinnert, die auch keinen blassen Dunst davon hatten, welch gesellschaftsverändernde Kraft ihre (Patikular-)Interessen haben würden.

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From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Thu, 29 Jul 1999 01:26:09 +0200

Es wird aber auch - und das ist wichtig! - da eingesetzt, wo Geld genug da wäre - einfach weil es in vielerlei Hinsicht besser ist.

Das bedeutet nichts anderes, als das Gnu/Linux als nicht profitorientiertes Produkt die profitorientierte Konkurrenz vom Markt verdrängt, mithin also ein nicht ignorierbares Beispiel existiert, bei dem sich freie Kooperation gegenüber Konkurrenz klar als das überlegene Prinzip herausgestellt hat. *Das* finde ich höchst bemerkenswert.

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From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Thu, 05 Aug 1999 02:01:31 +0200

Spannend! In der Tat denke ich, daß sich hier zwei Sachen treffen: Die Produktion von Gebrauchswert *und* die kreative Selbstentfaltung. Also ungefähr das, was ein Künstler macht nur mit anschließendem praktischen Nutzen - vielleicht ähnlich klassischen Handwerkern wenn sie nicht nur für Lohn arbeiten.

Ich finde das deswegen wichtig, weil ich schon seit langem nach einer Vorstellung suche, wie gesellschaftlich nützliche produktive Tätigkeit jenseits des Kapitalismus sich real buchstabiert - diese Form scheint eine Antwort zu sein!

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3.1.3. Inwieweit ist das Bewußtsein über das Neue wichtig?

From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Wed, 28 Jul 1999 00:38:07 +0200

Wenn ich dich jetzt beim Wort nehme, dann spielst du auf die Differenz zwischen einer objektiven und einer subjektiven Tatsache an ("an sich" und "für sich" wenn ich nicht irre): Gnu/Linux ist zwar an sich / objektiv ein gebrauchswertdominiertes Gut, also keine Ware, die per Definition immer für den Tausch hergestellt wird, aber die Gnu/Linux-Szene hat das (und das darin steckende Potential) bisher nicht oder höchstens in groben Ansätzen verstanden.

Da würde ich in der Tat zustimmen und behaupten, damit die wahre Kraft der Gnu/Linux-Entwicklung zum Tragen kommt, muß dieser Bewußtwerdungsprozeß noch stattfinden. Vielleicht können wir hier etwas dazu beitragen - oder mich des Geschwafels beführen ;-) .

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From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Thu, 29 Jul 1999 01:26:09 +0200

Wie andernmails schon bemerkt waren sich die frühen KapitalistInnen wohl auch kaum der revolutionären Bedeutung der Durchsetzung ihrer (partikularen [eigenen, nicht auf alle übertragbaren]) Interessen bewußt. Bewußtheit halte ich zumindest zu Beginn einer Bewegung nicht für das Entscheidende.

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From: Sabine Nuss <nussini@zedat.fu-berlin.de>

Date: Sun, 01 Aug 1999 21:24:03 +0200

Dennoch kurz dazu: "...sekundäre Effekte. Aber sie sind da, werden gespürt, und es entsteht eine Ahnung von Power..." - Dies Gefühl...das ist doch erst mal eine Wahrnehmung, deren Konsequenzen verschiedene Richtungen einnehmen können...Allgemeinplatz...und um nun ins konkrete zu gehen: wie sich diese Wahrnehmung niederschlägt, welche Richtung sie also einnimmt, das hängt sehr von ihrer konkreten, historischen Wirklichkeit, also von den gegenwärtigen Produktionsbedingungen ab, weil doch das was *ist*, jenes bestimmt, was kommt und nicht umgedreht, gell....umgedreht müßten die Entwickler auf Basis ihrer Wahrnehmung von "Power" und so, ein Bewußtsein entwickeln, was sich wiederum auf die Praxis ausübt...nun weiß ich von den Linux/OS-Entwicklern wirklich zu wenig, aber mein Eindruck von der Konferenz war nicht dergestalt, dass wir es hier mit Menschen zu tun haben, die sich ihrer Sache bewußt sind/werden und solange das nicht so ist, ist diese "Sache" auch nicht existent...sondern Projektion von Menschen, die es gerne so hätten...

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From: "Stefan Meretz" <stefan.meretz@hbv.org>

Date: Fri, 13 Aug 1999 09:11:23 +0100

Ich meine drei Fragenkreise zu erkennen: 1. Ist die geahnte "Sache" *da* oder nur Zuschreibung? 2. Wie wird aus Ahnung Bewußtsein? 3. Wovon hängt die Richtung der Entwicklung ab?

Zum Beantworten brauche ich zwei Voraussetzungen:

A. Individuelles Handeln: Menschliches Handeln ist nicht determiniert, sondern frei - klarerdings im Rahmen der Bedingungen. Die Bedingungen sind nicht unmittelbare Handlungsauslöser etwa analog zum Computerprogramm: if Bedingung then Handlung, sondern sie sind die Prämissen unseres Handelns. Kurz: Handeln ist nicht bedingt, sondern begründet (und über Gründe läßt sich trefflich streiten, denn sie sind subjektiv).

B. Geschichte: Begründetes Handeln der Individuen bedeutet gesellschaftlich nicht Beliebigkeit der historischen Entwicklung. Gründe sind immer auch potentiell gemeinsame Gründe oder Interessen, die kollektiv überindividuell wirksam werden - immer in Auseinandersetzung mit den Bedingungen, die wiederum durch das Handeln verändert werden. Der durchschnittlich-gesellschaftliche Effekt des Handelns bringt gesellschaftlich historisch-logische Entwicklungsformen hervor, die rekonstruierbar und

Zu 1.: Ist die geahnte "Sache" *da* oder nur Zuschreibung? Eine Frage der Erkenntnis. Mit A. sage ich nun, daß Verhalten von Individuen *von außen* nicht ergründbar ist (auch wenn traditionelle Psychologie genau das versucht). Anders auf überindividueller, gesellschaftlicher Ebene: Hier kann ich Entwicklungslogiken rekonstruieren, so ich über die angemessenen analytische Zugriffe verfüge. Dabei kann ich Fehler machen, aber prinzipiell ist ein Erkennen möglich auch ohne eine bewußte Versprachlichung durch die Akteure.

Zu 2. Wie wird aus Ahnung Bewußtsein?

Will ich da auch individuell ran, dann kann nicht das nur _mit_ den Akteuren machen, oder es _selbst_ machen (sofern ich Akteur bin), jedenfalls nicht *von außen*. Wenn das Erkennen über "Spaß", "Lernen" etc. hinaus gehen soll, also Allgemeines im Besonderen erkennen will, dann geht das nur über das gemeinsame Entwickeln der oben genannten analytischen Begriffe. Bewußtwerden ist folglich eine Art Selbsterkenntnis mit Hilfe angemessener Denkmittel.

Zu 3. Wovon hängt die Richtung der Entwicklung ab?

Du schreibst "...weil doch das was *ist*, jenes bestimmt, was kommt und nicht umgedreht... ". Kommt drauf an, was Du mit "bestimmt" meinst. Wenn Du das im Sinne von Voraussetzungen für die weitere gesellschaftliche Entwicklung meinst, dann ok. Wenn Du das aber im Sinne einer Determination unabhängig vom Handeln der Menschen siehst, dann nein. Wieso "nein", wo ich doch von historisch- logischen Entwicklungsformen sprach? Das hängt vom Abstraktionsgrad ab, also von der Ebene der Verallgemeinerung, auf der jedes Besondere im Allgemeinen aufgehoben ist. Finde ich diese Ebene, dann habe ich ein wirkungsvolles Analyseinstrument in der Hand (letztlich dreht sich Wissenschaft genau um ein solches Finden, auch wenn das oft *nicht bewußt* ist). Ich selbst, das hast Du ja nun schon zur Genüge mitbekommen, bringe den analytischen Begriff der Produktivkraftentwicklung ein. Mit diesem Begriff meine ich ich gesellschaftliche Entwicklungslogik überindividuell darstellen zu können, in die die Besonderheiten (wie Linux - puh, der Bogen ist endlich da!) schadlos eingehen können. Und mit dem Begriff meine ich dann auch Richtungen der Entwicklung erkennen zu können.

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From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Fri, 20 Aug 1999 01:05:30 +0200

"Objektiv" kann etwas da sein, was von den Subjekten noch nicht wahrgenommen wird. D.h. z.B. die Nazis können Scheiße sein, auch wenn Millionen Deutsche anderer Ansicht waren - um's mal sehr {pl,dr}astisch auzudrücken ;-) .

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From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Thu, 05 Aug 1999 02:01:31 +0200

Um das mal klarzustellen: Mit Natur hat das alles nichts zu tun. Immer handelt es sich um menschliche Kultur, die ja nur historisch gedacht werden kann.

Ich habe mir mal gemerkt, daß wenn irgendwelche Leute anfangen von naturnotwendig zu reden, daß dann nur noch pure Ideologie kommt. Vielleicht gut sichtbar bei unseren "Freunden" von der braunen Seite.

Ich finde, daß das ein sehr wichtiger Punkt ist. Leider ist es immer wahnsinnig schwer, sich aus einer Dominanzkultur hinauszudenken.

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3.2. Gnu/Linux, Richard M. Stallmann und Eric S. Raymond

3.2.1. Wer ist Richard M. Stallmann?

3.2.2. Was sagt Richard M. Stallmann?

From: Rainer Fischbach <rf@rainer-fischbach.com>

Date: Tue, 31 Aug 1999 14:57:51 +0200

Die für RMS ist <http://www.gnu.org>

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3.2.3. Wer ist Eric S. Raymond?

From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Mon, 06 Sep 1999 23:39:54 +0200

Das ist genau die Ideologie, die die Libertarians (m.W. vor allem in den USA) vertreten und zu denen sich ESR bekennt - ja. Die Libertarians - nicht zu verwechseln mit z.B. deutschen Libertären (wie mir ;-) ) - vergöttern das Privateigentum in noch viel stärkerem Maße als das die Liberalen und die Neoliberalen tun.

Ich kann mich gut an eine Debatte in den NetNews vor ca. 8 Jahren erinnern, in der mich ein solcher Libertarian auf jemand namens Ayn Rand (oder so ähnlich) hingewiesen hat, die/der das so klar nachgewiesen hätte, daß das Privateigentum völlig logisch aus den Naturgesetzen folgt - da mußte ich auch erst mal schlucken.

[...]

Wenn die Natur als Legitimationsbasis benutzt wird - dann wird's Ideologie pur. Das kannst du bei Locke genauso verfolgen wie bei den Rassisten...

Original

3.2.4. Was sagt Eric S. Raymond?

From: Rainer Fischbach <rf@rainer-fischbach.com>

Date: Tue, 31 Aug 1999 14:57:51 +0200

ESR ist Eric S. Raymond, der in mehreren programmatischen Schriften wie »The Cathedral and the Bazar«, »Homesteading the Noosphere« und »The Magic Cauldron« - alle im Netz unter <http://www.tuxedo.org/~esr/writings/> - das Label »Open Source« im Gegensatz zu »Free Software« bewirbt und damit als RMS-Antipode auftritt.

[...]

aus ESRs Schriften geht hervor, daß er Eigentum für etwas in der Struktur des Seins (er sagt natürlich Evolution dazu) Angelegtes hält (vergleichbar mit Konzepten wie »Substanz«, »Quantität/Qualität«, »Raum/Zeit«, »Ursache/Wirkung«, etc.). Eng damit verbunden ist die von ihm geteilte und propagierte Auffassung, daß der Kapitalismus das letzte Wort der Geschichte sei. Wenn die Geschichte daran nichts mehr zu ändern vermag, dann muß er mitsamt seiner Eigentumsordnung wohl in der Struktur des Seins angelegt (ontologisch) sein. Soviel noch zur politischen Funktion seiner Schriften . . .

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3.2.5. Hat Eric S. Raymond mit seinen Thesen nicht recht?

From: Sabine Nuss <nussini@zedat.fu-berlin.de>

Date: Fri, 30 Jul 1999 16:10:01 +0200

Im übrigen scheint das Schlagwort der Anerkennungsökonomie auf eine eher althergebrachte Art und Weise einer Art Prämierung für besondere Leistungen im Linux-Bereich Vorschub zu leisten. Auch innerhalb von stinknormalen Betrieben wird mit solchen Anreizen zu Mit- und Mehrarbeit angespornt

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From: "Stefan Meretz" <stefan.meretz@hbv.org>

Date: Sun, 1 Aug 1999 17:30:51 +0100

Aber noch zum Stichwortwort Anerkennungsökonomie: Das ist ein Wort von Leuten (wie Raymond), die nicht jenseits von Handel, Tausch und Verkaufen denken können. Wenn Anerkennung, dann bitte auch Ökonomie. Das Denken jenseits der Verwertung von Kapital ist auch schwer (Aristoteles konnte Freiheit nicht denken, Sklaverei erschien ihm naturgegeben).

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From: Rainer Fischbach <rf@rainer-fischbach.com>

Date: Tue, 17 Aug 1999 03:15:53 +0200

Im Hintergrund solcher Versuche scheint mir der Imperialismus des neoliberalen Weltbildes zu stehen. Alles muß irgendwie als Äquivalententausch verstehbar sein. Es darf keine Ausnahmen geben. Die Beiträge von ESR und RAG bedienen vor allem dieses ideologische Bedürfnis. Sie betreiben Weltbild-Stabilisation (mhr zu ESRs Thesen wird in meinem Beitrag zur FIfF Kommunikation 3/99 stehen). Letztlich geht es bei der Verabsolutierung des Äquivalententauschs zum durchgängigen Prinzip von Gesellschaft darum, die universale Gerechtigkeit der neuen Welt(markt)ordnung darzutun. Jede(r) erhält, was sie (er) verdient.

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From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Mon, 06 Sep 1999 22:04:14 +0200

Eine Auseinandersetzung mit dem Noosphere-Papier hatte ich mir auch schon mal vorgenommen. Das richtig nach Strich und Faden zu zerlegen und zu zeigen, wo er die Wirklichkeit so hinbiegt wie er sie gerne hätte. Wäre wirklich ein interessantes Projekt.

Ich denke, wofür wir ESR (Eric S. Raymond, Maintainer u.a. von `fetchmail') dankbar sein müssen, ist, daß er die Idee, Gnu/Linux auch politisch zu betrachten in gewisser Weise gesellschaftsfähig gemacht hat - auch wenn es vorher wohl schon solche Debatten gegeben hat.

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From: Rainer Fischbach <rf@rainer-fischbach.com>

Date: Sun, 29 Aug 1999 16:35:11 +0200

Nooshäre ist übrigens ein schrecklicher Misnomer. Teihard der Chardin hat diesen Begriff eingeführt, um den vom bewußten (menschlichen) Geist gestalteten Teil der physischen Welt zu bezeichnen. Die Welt der Ideen ist also _nicht_ die Noosphäre. Ansonsten ist in dem Aufsatz das Ansinnen spürbar, ESRs Überzeugung, daß Eigentum eine als quasi ontologische Kategorie sei, auf jenem Feld darzutun. Ich glaube, daß die Phänomene, die er anführt, schlüssiger durch andere Konzepte zu erklären sind. Es geht beim Verhältnis der Koentwickler und Anwender zum Projektbetreuer doch um Vertrauen, und Vertrauen ist kein Eigentum sondern etwas Geliehenes.

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From: Rainer Fischbach <rf@rainer-fischbach.com>

Date: Sun, 29 Aug 1999 16:35:11 +0200

Kathedralen sind beinahe nie so entstanden, wie ESR meint. Wenn man ein paar bauhistorische Kenntnisse hat, dann weiß man, daß es nur sehr grobe Pläne gab, die im Laufe der meistens sehr langen und oft unterbrochenen Bauzeit abgewandelt wurden und deren Interpretation auf der Baustelle eher ad hoc und experimentell erfolgte; wobei - die analytische Mechanik war damals noch nicht entwickelt - auch öfters mal was einstürzte. ESRs Wissen über Kathedralen scheint sich allein auf das Zitat auf Seite 41 der 2. Auflage von »The Mythical Man Month«, das eine seltene Ausnahme beschreibt, zu stützen. Brooks, der wohl ein wenig mehr über Kathdralen weiß, klärt das auch schon auf der folgenden Seite auf . . .

Mit dem Bazar steht es nicht besser. Für ahnungslose westliche Augen ist ein Bazar ein Ort, der überquillt vorn vielen bunten Sachen und wo scheinbar alle irgendwie mit allen handeln. Geschenke macht man sich dort jedoch nur in beschränktem Umfang und wohlkalkuliert. Auch die Geschäftsbeziehungen sind keinesfals beliebig sondern folgen strikten Normen und Gruppenverbindlichkeiten. Verwandtschaft, Herkommen, alte Freundschaften, Zünfte und Bruderschaften spielen dabei eine große Rolle. Bazare sind keine Orte des lockeren, horizontalen Austauschs sondern sehr stark vertikal integriert.

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From: Sabine Nuss <nussini@zedat.fu-berlin.de>

Date: Mon, 06 Sep 1999 19:15:50 +0200

weil Locke das Recht auf Eigentum durch eigene Arbeit begründet und diesen Zusammenhang in einen Naturzustand hineinverlegt. Locke sagt (das ist nun meine eigene Interpretation, ich glaub so in der Art gibt Raymond das auch wieder, allerdings bezieht er sich mehr auf die Inbesitznahme von Land), also Locke sagt, indem ich meiner Hände Arbeit mit der Natur "vermische", wird das Produkt *dadurch* zu meinem Eigentum. Also: Die Früchte, die ich pflücke, gehören mir. Das heißt, Locke setzt Aneignung und Bearbeitung gleich, ein Irgendetwas wird dadurch mein Eigentum, daß ich es physisch mit meiner körperlichen Arbeit in Verbindung gebracht habe. Das ganze übrigens ist dann überpositive, naturrechtliche Legitimation von Eigentum, die durch kein bürgerliches Recht und Gesetz geändert werden kann, weil es ja in der Natur des Menschen liegt, sich so Eigentum zu verschaffen. Das ist natürlich absurd, mit einer rein physischen Aneignung gleich einen Rechtsanspruch zu verbinden und dies in die Natur des Menschen zu verfrachten (war aber auch 17. Jahrhundert)

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3.2.6. Welches Verhältnis haben Eric S. Raymond und Richard M. Stallman als Protagonisten einer bestimmten Denkweise?

From: "Stefan Meretz" <stefan.meretz@hbv.org>

Date: Mon, 26 Jul 1999 15:37:36 +0100

Stallman ist in der Defensive. Raymond plus x haben "OpenSource" als Marketingbegriff erfunden, um freie Software den Wirtschaftsbossen schmackhaft zu machen. Freie Software klingt eben wie kostenlos und frei von Profit. Raymond hatte mit OpenSource Erfolg, Netscape hat Mozilla nach Raymonds "Bazaar-Aufsatz" (relativ) frei gegeben. Stallmans Beteuerungen, er sei nicht gegen den Kommerz, erklären sich daher. Der OpenSource-Kommerz frißt seine Eltern. Stallman ist halt Moralist, und Moralisten haben weder gute Argumente noch gute Karten - IMHO.

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3.3. Gnu/Linux als Keimform

3.3.1. Könnte Gnu/Linux eine Keimform für eine postkapitalistische Gesellschaft darstellen?

From: Rainer Fischbach <rf@rainer-fischbach.com>

Date: Tue, 17 Aug 1999 03:15:53 +0200

Nischen nicht der Kapitalverwertung unterliegender Arbeit gab es - von der Nachbarschaftshilfe über die mildtätigen Vereine bis zum Hobby - schon immer. Auch diese Formen haben oder hatten unter bestimmten Bedingungen ein politischs Potential. Auch die Arbeiterbewegung (vor allem in ihren anarchistischen Spielarten) knüpfte an Traditionen und die darin gewonnenen Erfahrungen der gegenseitigen Hilfe an und versuchte sie auch weiterzuentwickeln. Aus der Tatsache, daß die Autoren freier Software sich in einer anderen Konstellation zum Inhalt ihrer Arbeit und zu deren Adressaten befinden als es bei jenen herkömmlichen Formen der Fall ist, folgt allein noch nicht, daß es sich hier um eine systemsprengende Kraft handelt. Es könnte sich auch nur um eine neue Nischenform für weiß-der-Geier welche devianten Motivationslagen handeln. Solange es solche Motivationslagen gibt, besteht wenigstens Grund zu der Annahme, daß der Markt noch nicht alles aufgefressen hat.

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From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Tue, 14 Sep 1999 20:24:36 +0200

Genau genommen klar. Ich betätige mich da ein bißchen als Prophet ;-) .

Aber was jetzt genau das zumindest nicht-kapitalistische an Gnu/Linux ist, daran waren wir ja schon - auch wenn das sicher nicht ausreichend geklärt ist. "Post" könnte es dann sein, wenn es nicht nur nicht-kapitalistisch ist, sondern sich auch nicht in bisherigen Phänomenen im Kapitalismus erklären läßt. Der `Ehrenamt und Tauschwert'-Thread (`http://www.homepages.de/home/smerten/Oekonux/archive/msg00069.html' ;-) ) hat das ja ein bißchen thematisiert.

Fakt ist, daß es so war. Ob das jemensch mit einer gewissen Weitsicht erkennt ist davon unabhängig.

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3.3.2. Was wäre nötig, um die Keimform zur Blüte zu bringen?

3.3.3. Brauchen wir noch einen Staat?

From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Mon, 26 Jul 1999 22:50:36 +0200

Nun fände ich die Abschaffung des Staates natürlich auch eine tolle Sache. Allerdings erst dann, wenn an seine Stelle einge gesellschaftliche Bewegung getreten ist, die es schafft, die hochkomplexe (zumindest da wo es noch nötig scheint) Organisation aufrechtzuerhalten, zumindest aber nicht im Chaos versinken zu lassen.

Hier läßt sich m.E. ein prima Bogen zu Gnu/Linux schlagen: Dies ist m.E. eine Form, wie ein gesellschaftliches Bedürfnis ohne staatliche Struktur und ohne privatwirtschaftliches Vorantreiben sich aufs Beste verwirklicht. Ähnlichkeiten sind mir da in gewisser Weise zu NGOs wie Greenpeace oder amnesty international aufgefallen, die auch ein gesellschaftliches Interesse auf globaler Basis vertreten, ohne daß es hier um Profitmaximierung geht. (Ich weiß die Strukturen bei Greenpeace und so - aber ich denke das ist ein Randphänomen.)

Das spannende an Gnu/Linux aber ist, daß es so einen umwerfenden Erfolg hat. Da sehen die Menschen endlich (mal wieder), wozu sie ohne die ach so nötigen Staaten und Firmen in der Lage sind. Das ist vielleicht mit das spannendste an der ganzen Entwicklung: Das die Menschen ihre (revolutionäre) Kraft spüren.

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From: Stefan Merten <smerten@dialup.nacamar.de>

Date: Tue, 14 Sep 1999 23:19:51 +0200

Kei Ishii & Bernd Lutterbeck Technische Universität Berlin Forschungsgruppe Internet Governance 17. Juli 1999

[...]

Keine noch so gute offen gelegte Software wird je in der Lage sein, die Unterschiede von arm und reich, von gerecht und ungerecht abzuschaffen. Immer muß der Schutz der Schwachen organisiert werden. Das müssen spezielle Agenten übernehmen. Es gibt viele gute Gründe, dem Staat, vor allem dem deutschen Staat insoweit eher zu mißtrauen. Falls wir aber zur Auffassung gelangen, daß manche Werte vom Staat am ehesten geschützt werden sollten, sollten wir nicht zögern, den Staat mit dem Schutz dieser Werte zu beauftragen.

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3.4. Die Potenzen von Gnu/Linux und die Gnu/Linux-EntwicklerInnen-Szene

3.4.1. Wie wird die gesellschaftliche Relevanz von Gnu/Linux unter den EntwicklerInnen eingeschätzt?

From: Pit Schultz <pit@klubradio.de>

Date: Mon, 26 Jul 1999 20:03:59 +0200

ja, motivation ist ein wichtiger punkt. was treibt die leute dazu freie software zu schreiben. in den drei faellen koennte es bedeuten:

"free society" eine gesellschaft ohne microsoft untertanentum und at&t knechtschaft.

"better software" hoehere effizienz, logische naechste stufe eines technologischen quasi-natuerlichen evolutionsprozesses.

"free beer", keine ideologie, sondern spass, vielleicht mal eine spende, auf jeden falle nette leute auf der party.

keiner der drei setzt groessere bezuege zu politischen ideen. d.h. nicht dass sie nicht implizit existierten.

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3.4.2. Was verstehen die Gnu/Linux-EntwicklerInnen unter Freiheit?

From: Pit Schultz <pit@icf.de>

Date: Mon, 26 Jul 1999 20:33:59 +0200

Stallman: (links) "free society" eine gesellschaft ohne microsoft untertanentum und at&t knechtschaft.

Raymond: (rechts) "better software" hoehere effizienz, logische naechste stufe eines technologischen quasi-natuerlichen evolutionsprozesses.

Thorwalds: (postmodern) "free beer", keine ideologie, sondern spass, vielleicht mal eine spende, auf jeden falle nette leute auf der party.

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4. Über die Oekonux-Liste

4.1. Zur Strukturierung der Debatte

4.1.1. Entlang welcher Fragen könnte hier diskutiert werden?

From: Pit Schultz <pit@icf.de>

Date: Mon, 26 Jul 1999 20:33:59 +0200

selbstaufloesung des kapitalismus

historisch-materialistischer ansatz

Eigentum

rationalismus der neoklassischen oekonomie

motivation von GNU/Linux - primaer/sekundar sektor

Geld & pragmatische Aesthetik

Richtiges im Falschen

Kapital

Senkung der Transaktionskosten

welche freiheit?

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From: Thorsten Schilling <schilling@berlin.snafu.de>

Date: Thu, 29 Jul 1999 23:43:42 +0200

ist der tauschwert per definitionem (und ist die definition zb von marx fuer uns bindend) nur an die warenform geknuepft? oder ist die warenform nur die bisher maechtigste aeusserungsform des tauschwerts? wie verhaelt sich die gabentauschtheorie (marcel mauss, spaeter dann baudrillard - symbolischer tausch und tod ua -) dazu? vgl. auch das kommunistische manifest, die aufhebung alter (tausch) verhaeltnisse durch das kapital? restrisiko? und die gespensterdebatte im anschluss daran, von gramsci bis hin zu *marx' gespenstern* bei derrida?

ist linux ein wirkungsvolles gespenst das um- undoder eingeht im/in den kapitalismus? oder nur ein retrovirus des zuenftigen handwerks bei der jetzt historisch absehbaren durchsetzung (?) des weltmarktes, der bei marx eine immer vorausgesetzte theoretische abstraktion war (ihn -voreilig- als realisiert anzunehmen war ja doch auch ein irrtum der linken vor dem 1. weltkrieg, zb von rosa luxemburg following hilferding)? also eine herstellungsmode, ein stil der bereitstellung neuer verwertungsketten, eine im sinne der herrschenden x-verhaeltnisse zulaessige aesthetik der produktion? usw.

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